Search
  • Home
  • Veronika
  • Q&A BLOG LIEBESBEGEHREN
  • Übersicht alle Blogs
  • Video-Sex-Tipps
  • ENDLICH GLEICH! BUCH & BLOG
  • Deine Frage
  • Bücher LIEBESLUST & ALLTAGSLUST
  • Bücher bestellen
  • Interviews & Medien
  • Veranstaltungen
  • Literatur & Links
Close
Menu
Search
Close
  • Home
  • Veronika
  • Q&A BLOG LIEBESBEGEHREN
  • Übersicht alle Blogs
  • Video-Sex-Tipps
  • ENDLICH GLEICH! BUCH & BLOG
  • Deine Frage
  • Bücher LIEBESLUST & ALLTAGSLUST
  • Bücher bestellen
  • Interviews & Medien
  • Veranstaltungen
  • Literatur & Links
Menu

Liebesbegehren – Veronika Schmidt

October 26, 2017

"TRIGGER" FRAU

by Veronika Schmidt in Aufreger, Bibel, Gleichberechtigung, Gott, Zusammenleben, Selbstverantwortung, Rollenbilder, 2017


illustration: fiona-k 2017 "denk-mahl"

illustration: fiona-k 2017 "denk-mahl"

illustration: fiona-k 2017 "denk-mahl"

illustration: fiona-k 2017 "denk-mahl"

VERONIKA SCHMIDT

Es war drei Wochen vor Publik werden der Causa Weinstein. In einer kleineren geistlichen Gesprächsrunde von Frauen und Männern waren wir irgendwie beim Thema Frau gelandet. Nicht bei ihren Rechten oder so, sondern, dass es eben für das Lebensgefühl oder die Lebens-Selbstverständlichkeit einen grundsätzlichen Unterschied macht, ob man eine Frau ist oder ein Mann. Diesen Gedanken auf jeden Fall wollte ich zur laufenden Diskussion beitragen. Gewählt habe ich aber die Worte: „Ich glaube nicht, dass Männer wirklich verstehen (ich meinte „nachvollziehen“) können, wie es ist, als Frau zu leben.“


Einen kurzen Moment war es still. Dann bemerkte ich, wie einem Mann der Unmut merklich ins Gesicht stieg, und er platzte heraus, dass sei doch die alte Leier, der uralte und immer wieder vorgebrachte Vorwurf der Frauen, dass die Männer sie nicht verstehen würden. Abgesehen davon würden auch die Frauen die Männer nicht verstehen. Offenbar trafen bei ihm meine Worte „Mann – Frau – nicht verstehen“ einen empfindlichen Nerv. Und ja, wenn es um die westliche Paarbeziehung geht, dann kommen Männer fast genauso oft unter die Räder, wie Frauen.

Eigentlich wollte ich DAS aber gar nicht sagen. Ich wollte etwas über die Gesellschaft ausdrücken, nicht über die Paarbeziehung. Ich wollte ausdrücken, dass ein Mann wohl gar nicht nachempfinden kann, was es heisst, auf dieser Welt Frau zu sein und nicht Mann. Dass er diese latente Bedrohung, latente Übergriffigkeit, latente Infragestellung, latente Nicht-Daseinsberechtigung, latente Ausbeutung der Frau in praktisch allen Gesellschaftsstrukturen seit Menschengedenken schlicht und einfach aus eigener Erfahrung nicht kennt.

Wenige Tage zuvor hatte ich meinen wirklich einfühlsamen Mann gefragt, ob er sich über diese Tatsache schon einmal Gedanken gemacht habe – hatte er nicht. Die Männerwelt, sowohl die weltliche wie die geistliche, lebt in einer unhinterfragten Selbstverständlichkeit ihr Dasein und ihren Einfluss. Sie macht sich vielleicht Gedanken darüber, ob sie Dasein und Einfluss grosszügigerweise teilen soll, aber sie stellt nicht in Frage, ob diese ihr überhaupt zustehen. Männer müssen und mussten nie um Dasein und Einfluss kämpfen und dafür rechten. Oft wird heute, auch von jenem Mann, die Verweiblichung der Gesellschaft beklagt. Der Vorwurf richtet sich dabei gegen die Schule, die Fremdbetreuung, die alleinerziehenden Mütter respektive die ausgeschlossenen Väter, die innerfamiliären Hosen-an-Frauen.

Doch das ist nicht die Ebene, auf der das Spiel des Lebens wirklich spielt.

Viele Männer WOLLEN gar nicht auf der "Frauenebene" Einfluss nehmen. Man beschwört einen Einflussverlust des Mannes, von dem in den gesellschaftlichen Positionen und Machtstrukturen überhaupt nichts zu sehen ist. Klar, auch Männer werden ausgebeutet, missbraucht, umgebracht und sind ohne Rechte. Doch diese Gewalt gegen Männer geht mehrheitlich genauso von Männern aus und nur in wenigen Fällen, oder vor allem im Privatbereich, von Frauen.

Nachdem ich einige Erklärungen nachgeschoben hatte, entwickelte sich ein langes interessantes Gespräch, an dessen Ende der aufgebrachte Mann sich bedankte, dass ich, beziehungsweise die Diskussion, ihm eine völlig neue Sichtweise auf das Frausein eröffnet habe. Wir sprachen darüber, dass, egal um welche Krise der Menschheit es sich handelt, es ein gewaltiger Nachteil ist, eine Frau zu sein. Erschreckende Nachrichten über verschleppte Flüchtlingsfrauen und Flüchtlingskinder sind dafür nur eine kleine Illustration. Selbst Jesus tönt diese Tatsache an, wenn er in Matthäus 24:19 zu seiner Wiederkunft und zum Ende dieses Zeitalters sagt: „Wehe aber den Schwangeren und den Stillenden in jenen Tagen!“

Daraufhin machte uns ein Freund auf eine weitere Bibelstelle aufmerksam. Diese Stelle lenkte unser Gespräch in eine ganz neue Richtung. Noch nie zuvor hatte ich sie bewusst gelesen:

„Wie lange willst du dich hin und her wenden, du abtrünnige Tochter? Denn der HERR HAT EIN NEUES GESCHAFFEN AUF DER ERDE: DIE FRAU WIRD DEN MANN UMGEBEN.“ Jeremia 31:22

Was für ein revolutionäres Wort hat hier Gott in seinem Wort verborgen, einfach so hingesagt. Ich möchte Euch die Ausführungen meines Freundes Peter Höhn zu diesem Bibelwort nicht vorenthalten:

Was bedeutet es, wenn Gott uns mit diesem Vers die Perspektive gibt, dass er auf Erden etwas NEUES schaffen wird? Es heisst, dass er nicht mehr der männlichen, sondern der «weiblichen» Energie den Vorrang geben wird, weil sie lebensfördernder ist. Davon werden schlussendlich alle ‒ Frauen und Männer ‒ profitieren. Und «wer es hört» kann es jetzt schon üben und dafür beten und ‒ ob Frau oder Mann ‒ in angstfreier Weise der weiblichen Energie und daraus dem erlösten Miteinander den Weg bereiten.
Ich habe mir bereits 1999 beim Lesen des Buchs von Paul Tournier „Rückkehr zum Weiblichen" (Herderbücherei) notiert, wie schwer sich die Männer tun, echt auf Frauen zu hören, weil sie sich oft in Bezug auf konkrete Lebenstüchtigkeit den Frauen unterlegen fühlen (und es auch sind), aber dies einfach nicht zugeben können und wollen. Stattdessen flüchten sie in die Welt der Dinge, des Abstrakten, ins Logische, in Lösungen. ‒ Warum hören Männer so wenig auf Frauen? – Weil die beziehungsmässigen Probleme, welche die Frauen erkennen, beängstigender und schwieriger zu lösen sind für Männer als die sachlichen Probleme. Und weil die beziehungsmässigen Aspekte oft alles «verlangsamen» (aber eigentlich mit Leben für alle füllen würden). Deshalb reagieren Männer entweder mit Dominieren und Gasgeben oder mit Schweigen und «Abtauchen».
Jesus hat hier eine ganz andere Haltung vorgelebt: Er hat auf Frauen gehört und ist auf ihre Initiative eingegangen und hat sie verteidigt.

Das Buch von Paul Tournier trägt den Untertitel: Werden Frauen unsere Welt wieder menschlicher machen? Das ist eine Frage, keine Feststellung. Das bedeutet, es ist auch eine Anfrage an uns Frauen. Werden wir unsere Welt wieder menschlicher machen? Wie können wir unsere Welt wieder menschlicher machen? Nur, indem wir beginnen, uns ebenfalls in aller Selbstverständlichkeit auf unsere Weise auf dieser Erde zu bewegen und einzubringen, uns nicht mehr einschüchtern lassen, gegen Unrecht aufbegehren, unsere Stimme erheben und auf unserem Dasein und unserem Einfluss bestehen. Aber nicht in einer das Männliche auschliessender, sondern in integrierender Weise. Manche Männer benötigen unser Aufbegehren, unsere Zurechtweisung, unsere Stopp-Tafeln, weil sie sich tatsächlich daneben benehmen und Macht gierig anhäufen. Aber Männer brauchen vor allem unsere Wertschätzung und unseren Respekt. Und die Ermutigung, sich eine gesunde Männlichkeit anzueignen, deren Stärke sich nicht aus der Erniedrigung speist. 

* Bild: 12 Jünger, zusammen mit ihren Ehefrauen, halten ein gemeinsames Mahl und feiern das Leben. Hast Du gewusst, dass alle Jünger verheiratet waren? Als typisches Getränk des Alltags wurde im antiken Israel Bier getrunken. Wein gab es nur an Festtagen.

Q&A BLOG LIEBESBEGEHREN RSS

March 3, 2017

Martin Luther befreit den Sex und die Frau

by Veronika Schmidt in Aufklärung, Aufreger, Bibel, Ehesex, Ehe, Gleichberechtigung, Gott, keusch, Scheidung + Wiederheirat, Selbstverantwortung, Sexualität allgemein, Zusammenleben, 2017


bild: aus film "katharina luther"

bild: aus film "katharina luther"

bild: aus film "katharina luther"

bild: aus film "katharina luther"

Die Reformation hat die kirchliche Sexualethik verändert. Wenn auch sofort nur unmittelbar für die Frauen der Reformation und anhaltend erst mit den Jahrhunderten. Ohne die Reformation wären die Aufklärung, die Religionskritik und die veränderte Stellung von Frau und Sexualität nicht möglich geworden. Indem die "reformierten" Priester, angeregt durch Martin Luther, und schliesslich auch er selbst, Frauen ehelichten, war die reine Männerherrschaft der Kirche gebrochen. Noch konnte niemand ahnen, was das verändern würde. In Zürich heiratete Zwingli seine Anna Reinhart erstmal heimlich: "Wohl auch, weil er eine zentrale Figur der Reformation war und in Zürich nicht allzu schnell alles auf den Kopf stellen wollte." (Rebecca A. Giselbrecht - Buch "Hör nicht auf zu singen") Eine heimliche Heirat war eine Abmachung zwischen einem Mann und einer Frau und brauchte keine Zeugen und Rituale. Zwingli und Reinhart zogen zusammen. Zwei Jahre später, bei der offiziellen kirchlichen Trauung, war Anna hochschwanger.


Luther, der sexuelle Rebell, lernt aus der Natur und der Wissenschaft

Luther stellt sich gegen die Verleugnung und Unterdrückung der Sexualität durch die Kirche. Befriedigende Sexualität zwischen den Eheleuten ist für Luther ein wesentliches Fundament der Beziehung. Liebe und Lust gehören für ihn zusammen. Ein wichtiger Umstand spricht Luther zufolge dafür, dass die eheliche Sexualität gottgefällig ist: wegen der Unvermeidbarkeit und Unausweichlichkeit sexueller Erregung (Erregungsreflex) und dem Wunsch nach ihrer Befriedigung. Er erklärt „Fleisch und Blut“ vollumfänglich zum guten Teil der Schöpfung. Damit stellt er sich gegen die Lehren der Kirchenväter, die behaupteten, Sexualität oder zumindest die sexuelle Lust seien erst nach dem Fall Adams und Evas in die Welt gekommen. Doch Luther betont im „Grossen Katechismus“, die sexuellen Bedürfnisse und Wünsche seien bereits vor dem Sündenfall von Gott „eingepflanzt“ worden.

Deshalb bedeutet das Zölibat für Luther Zwang und Knechtschaft. Er nennt das Gelöbnis der Ehelosigkeit „Teufelswerk“. Das Zölibat sei mit der geforderten Freiheit des Christenmenschen unvereinbar. Er sieht es als vermessen, gottlos und unsinnig an, Keuschheit durch Gelübde zu versprechen. Bei all seinen Begründungen zieht Luther Kenntnisse der zeitgenössischen Naturwissenschaften bei, um seine exegetischen Aussagen anthropologisch zu erhärten. Luther liest im „Buch der Natur“, um die Richtigkeit seiner persönlichen Auslegung des Buches der Bücher plausibler zu machen. Luther hält es für seine Pflicht, mit jungen Menschen offen über sexuelle Dinge zu sprechen und auch heikle Ehefragen zu erörtern. Er will nicht durch Schweigen einer ungesunden Geschlechtsauffassung und falscher Schamhaftigkeit Vorschub leisten. Auch will Luther den Sex unter denen, die sich einander versprochen haben, nicht als Hurerei bezeichnet wissen. Denn er erhalte damit einen gewissen Grad an Legitimität. Dass die protestantischen Sittengerichte später eine besonders nachhaltige Verfolgung vorehelichen Beischlafs propagierten, kann demnach mit Sicherheit nicht auf Martin Luther zurückgeführt werden.

Luther erkennt gewisse physiologische Gesetzmässigkeiten, nämlich, dass die Kraft der Triebe in den Geschlechtern wirksam sei und sie zueinander treibe. „Wenn dies Gottes Ordnung ist, und wenn etwa ein Mädchen des Mannes ebenso wenig entbehren kann wie des Essens, Trinkens oder Schlafens, so ist es doch frevelhaft, sich dieser göttlichen Ordnung zu wiedersetzen.“ Durch ehelichen Verkehr könne Gott auch nicht dann beleidigt werden, wenn er an einem Sonntag stattfinde. Solche heute „humorvoll" anmutende Nebenbemerkungen haben ihren Ursprung natürlich darin, dass er anders lautende Auffassungen damit an den Pranger stellt. Er geisselt jene Vertreter, indem er ihnen entgegenwirft, dass sie gottlose Heuchler und Werkheilige seien, die glaubten, Gottes Gnade durch unreine und stinkende Werke erkaufen zu können. Zum Beispiel durch Wallfahren, Fasten, nächtliches Wachbleiben und zeitlich beschränkte sexuelle Enthaltsamkeit.

Lust ist ein Recht - Unlust ein Scheidungsgrund

Für Luther war die Sexualität in der Ehe auch nicht einfach an die Vermehrung geknüpft. Sie sollte aus wechselseitiger Lustverschaffung der Ehepartner bestehen. Luther hat durchaus nicht nur die Lust des Mannes in Blick sondern vor allem auch die Befriedigung der Frau. Für ihn ist die Lust der Frau dermassen entscheidend, dass er im Falle von Impotenz argumentiert,  falls der betroffene Mann keinerlei andere Praktiken der Lustverschaffung anwende, könne die Frau sich scheiden lassen. Vor allem, wenn der Frau dieser Zustand zuvor verschwiegen worden war. Wenn der Ehemann hingegen trotz Impotenz der Frau Lust verschaffen könne, sei er „ein rechter Ehemann“. Hingegen könne ein Mann seine Frau sexuell nicht befriedigen, solle er ihr die Erlaubnis geben, „in der Fremde“ einen Liebhaber zu nehmen, oder sie könne eine heimliche Ehe führen.

Neben der verunmöglichten Zeugung und Lustbefriedigung, der sexuellen Unlust eines Ehepartners oder Verweigerung der  (materiellen) Versorgung der eigenen Familien, ist für Luther vor allem Fremdgehen ein möglicher Grund für eine Scheidung. Wobei er zuerst rät, Versöhnung anzustreben. Luther geht mit einmaligem Fremdgehen moderat ins Gericht und hält in diesem Fall Vergebung für gerechtfertigt, weil es „mit uns allen gar leicht geschehen kann, dass wir fallen.“ Doch dürfe keiner der Ehepartner zur Vergebung gezwungen werden, wenn er es nicht will oder er es aus Ekel nicht tun könne. Oder Vergebung missbraucht würde, um erneut zu betrügen.

Auch in heftigen Streitfällen rät er zur Versöhnung. Doch sei die Differenz zwischen den Eheleuten zu gross, seien Eheleute derart in Streit geraten, dass sie ihr Zusammensein nicht länger ertragen könnten und jegliche Versöhnung ausgeschlossen sei, sollten „sie besser von einander den bey einander“ sein, solle die Ehe geschieden werden. Dabei spricht er auch davon, dass Bosheit und Streit zwischen den Ehepartnern nicht nur physisch, sondern auch seelisch brutal zu verletzen vermag.

Ehe hat ein Gütesiegel

Nach Luther sollte eine Ehe nach ihrer Qualität betrachtet und beurteilt werden. Nämlich, ob die Eheleute einander in „wahrer“ Liebe zugetan seien oder nicht. Dazu gehöre „Lust, Liebe und Freude“. Er formuliert auch einen Anspruch an den Durchhaltewillen: Derjenige, der darum wisse, dass Gott wolle, dass Menschen im Ehestand leben, Kinder hervorbringen und aufziehen, der habe selbst ein Wohlgefallen an diesem Stand trotz seiner Mühen.

Denn auch Luther bemerkte, dass nach einigen Ehejahren die Liebe und Sexualität an Kraft verliert: „Die Welt spricht von der Ehe: Eine kurze Freud und lange Unlust. Aber lass sie sprechen.“ Luther gibt zu bedenken, wer Gottes Wirken in der Ehe erkenne, der habe Lust, Liebe und Freude in der Ehe ohne Unterlass. Und zitiert Salomo: „Wer ein Weib findet, der findet was Gutes.“ Und plädiert für ein regelmässiges Sexleben: „In der Woche zwier, schaden weder ihm noch ihr, macht im Jahre hundertvier.“ Die „Luther-Regel“ entspricht laut Umfragen bis heute einer weltweiten durchschnittlichen Gewohnheit.

Wer also an der Liebe zweifelt, zweifelt nach Luther auch an der Macht Gottes.  Der Mensch habe selbst schuld, wenn er keine Liebe zu seinem Partner spüre. Dann sei sein Glaube zu schwach, weshalb er die Liebe nicht erkenne. Die Liebe zu Gott und zum Nächsten (Gemeinschaft, Kinder und Ehefrau) ist nach Luther die „wahre“ Liebe. Luther betont den hohen Wert eines harmonischen Zusammenlebens und einer liebevollen Gattenbeziehung vor Gott. Diese Liebe denke gegenüber dem anderen nur das Beste und sei nicht argwöhnisch.

Ehe, Scheidung, Wiederheirat, sexuelle Verantwortung

An Luthers Ausführungen über Ehe, Scheidung und Wiederheirat ist vor allem bemerkenswert, dass Luther darauf verweist, „die Ordnung der Ehe als eines 'Weltlichen Dings' sei allein eine staatliche Aufgabe. Grundsätzlich obliege die Angelegenheit der Ehe wie der Ehescheidung der weltlichen Obrigkeit, ihrer Gesetzgebung und Rechtsprechung. Luther macht deutlich, dass die Regelung des Ehestandes nicht in den Bereich der Kirchenordnung fällt und schon gar nicht „zur Seligkeit“ nötig sei. Die Kirche hätte dagegen die Aufgabe, die Eheschliessung und die Ehe zu segnen.

Luther betont, es existiere kein kirchliches Lehrgebäude mehr, das dem Gläubigen die Entscheidungen um die richtigen Vorgehensweisen beim Sex abnehmen könne. Er trage nunmehr auch in Fragen der Sexualität die Verantwortung vor Gott allein. Der richtige Umgang mit dem Sex wird damit zu einer individuellen Gewissensentscheidung. Luther formuliert keine konkrete Verhaltensanweisungen zum Sex und spart Aussagen zum vorehelichen Sex aus. Das Wesentliche ist die Liebe zu Gott, das rechte Verhalten wird sich aus ihr ergeben. Damit wird es auch überflüssig, der Gemeinde die genaue Gestalt der Sünden zu erläutern. Das Sprechen von intimen Vorgängen im Ehebett ist für Luther überflüssig geworden, weil jede sexuelle Handlung in der Ehe unter dem besonderen Schutz steht, den Gott dieser Lebensform angedeihen lässt.

Luthers Schriftauslegung sieht keine wortwörtliche Wahrheitsaussagen und Handlungsanleitungen der Bibeltexte vor. Nach Luther dient der biblische Wortlaut vielmehr dazu, die „Sache“ des Evangeliums zu vermitteln. „Sache“ des Evangeliums ist nach Luther die Zuwendung Gottes zu seiner Schöpfung in Jesus Christus durch den Heiligen Geist.  Diese Liebe Gottes ist Grund des Glaubens.

So ging es weiter in der Geschichte der Sexualität

Luthers Gedankengänge auf den Punkt gebracht, wäre der eheliche Sex „göttlich“, „selig“ und „heilig“. Selbst hat er das nie so gesagt, doch diese Haltung wurde zum Repertoire der protestantischen Kanzelrhetorik. Der eheliche Sex selbst wird zum Dienst an Gott. In der Folge nimmt danach das „Loblied“ auf den Sex zuweilen hymnische Züge an…

Daneben hat sich die „problemorientierte“ Sprache der „alten“ Kirche zu Sexualität auch in der protestantischen Seelsorge und der Predigtliteratur fortgeführt. Aufklärende Schriften werden für Heranwachsende als untauglich abgelehnt. Das Seelenheil sollte nicht mit üppigem Schmuck und modischer Kleidung aufs Spiel gesetzt werden. Böse Gesellschaften, unzüchtige „Örter“, Hurengelage, Vollsaufen, Nachtgetanze und böses Geschwätz sollten nach Möglichkeit gemieden werden.

Bei allem Fortschritt durch Luther bleiben bis in die Neuzeit die überkommenen Anschauungen über die Sexualität weitgehend bestehen. Auch gilt alle Aufmerksamkeit nach wie vor mehr den vorehelichen Verfehlungen als den ehelichen. Dass „Lust & Liebe“ zu einer Ehe dazugehören, hat die christliche Sexual- und Ehelehre lange nicht vertreten, finden sich keine Ausführungen, die eine emotionale Bindung mittels der Lust für Eheleute als wünschenswert darstellen. Im Gegenteil sieht man darin schon gefährliche Vorstufen der tödlichen Fallstricke des Fleisches. Die Sprache und die inhaltlichen Botschaften der moralischen Eiferer haben sich hüben und drüben und durch die Zeiten hindurch letztlich nicht verändert.


Quellen:

Zweiter Sammelband über Zinzendorf,  von Erich Beyreuther, Gerhard Meyer, Georg Olms Verlag Hildesheim . New York, Internetauszug

Unkeuschheit und Werk der Liebe: Diskurse über Sexualität am Beginn der Neuzeit in Deutschland, von Tilmann Walter de Gruyter, Kapitel "Die Theologie und die Sexualität", Internetauszug

Q&A BLOG LIEBESBEGEHREN RSS

January 20, 2017

Starke Frauen - starke Männer

by Veronika Schmidt in Ehe, Ehesex, Gleichberechtigung, Gott, Liebe, Partnerwahl, Selbstgefühl & Selbstwert, Selbstverantwortung, Zusammenleben, 2017


luthers.ipg
luthers.ipg

Martin Luthers Frau als Vorbild für eine starke Frau

«Neben jeder starken unabhängigen christlichen Frau steht ein starker unabhängiger Mann, der diese Tatsache aushält und begrüsst. Das hat ganz eigentlich mit befreiter Sexualität zu tun. Katharina von Bora und Martin Luther lassen grüssen.»

Vor 500 Jahren hatten Luther, Zwingli und Co. den Mut, Glaubenssätze und Traditionen, die von der Kirche als einzige Wahrheit verkauft wurden, zu hinterfragen. Nach wie vor sind die Kirchen reformbedürftig. Livenet bringt daher Thesen zur Inspiration. Heute meldet sich die Sexologin, Beraterin und Autorin Veronika Schmidt zu Wort.

Sex, Rollenbilder und Gleichstellung haben einen direkten Zusammenhang. Vor allem für die Frau ist befreite Sexualität entscheidend für ihre ganzheitliche Entwicklung. Wer's nicht glaubt, schaue über den Tellerrand in andere Teile der Welt um festzustellen, wie das Leben von Frauen ohne sexuelle Selbstbestimmung aussieht. Sie haben weder Bildung noch Entwicklungschancen. Eine sexuell freie Frau hingegen ist in ihrer Persönlichkeit, ihrer Partnerschaft und Gesellschaft frei.

Katharina – selbstbewusst und unkonventionell

Solche Paarvorbilder brauchen wir. Eines davon finden wir 500 Jahre zurück in Katharina von Bora und Martin Luther. Luther heiratet Katharina, «um den Teufel zu ärgern». Sie war eine starke Persönlichkeit und das Paar Luther zwei sich liebende Hitzköpfe, die sich zeitlebens respektierten und herausforderten. Die beiden führten eine beispielhafte Ehe auf Augenhöhe und lebten eine von Gnade, Freude und Humor erfüllte Partnerschaft. Eleonore Dehnerdt* schreibt, dass dies vor allem Katharinas «unbeugsamem Selbstbewusstsein» zu verdanken war.

Martinus war nicht Katharinas erste Wahl. Aber nachdem sie ihre grosse Liebe nicht heiraten durfte, entschied sie sich für den Mann, der ihr die besten Entwicklungsmöglichkeiten bot. Das war eine kluge Wahl. Katharina war gebildet, konnte lesen, schreiben und beherrschte Latein. Sie kam aus der Klosterwelt, in der sie als Frau kein «minderwertiger» Mensch war, wie es das damalige Gesetz behauptete. Sie lebte selbstständig, zielsicher, fackelte nicht lange, bevor sie etwas tat und hielt sich auch nicht an Konventionen.

Sexualität als Grundlage von Erfolg

Wo sind heute die selbstbewussten Katharinas? Seit Jahren werden Frauen an Frauenanlässen ermutigt, sich toll, wunderbar und liebenswert zu finden. Doch wann endlich kommt die Botschaft: «So, jetzt wissen wir alle, wie wunderbar wir sind. Jetzt brechen wir auf zu grossen Taten und erobern uns die Welt.» Ich behaupte, diese Botschaft kommt nicht, weil Sex an Frauenveranstaltungen kein Thema ist. Nicht mal ein Hauch davon. Doch aus sexueller Selbstsicherheit und der daraus entspringenden Selbstbestimmung kommt weltverändernde Kraft. Das sah wohl auch Luther so. Er war ein sexueller Rebell. Betonte die ungezähmte Natur der Sexualität als ein natürliches Bedürfnis. Nicht nur in Bezug auf die Lust des Mannes, sondern vor allem auch auf die Befriedigung der Frau.

Das Ehepaar Luther definierte für sich ein unübliches Rollenbild. Katharina redete mit, brachte sich ein, praktisch und intellektuell. Sie war äusserst erfolgreich und sicherte das wirtschaftliche Überleben aller, die im Hause Luther ein- und ausgingen: Kindern, Studenten, Gelehrten, Fürsten. Luther gab sein altes Frauenbild unter Katharinas Gegenwind bald fröhlich und erleichtert auf. Das sollte uns heute Vorbild sein. Die veränderten gesellschaftlichen Beziehungen der Geschlechter bewegen einiges, auch in der christlichen Lebenswelt. Dass manchmal Männer sich nicht aktiv entwickeln in eine veränderte Gesellschaft hinein, daran ist nicht die Entwicklung der Frau schuld, sondern dass Männer sich nicht damit auseinandersetzen, wer sie sind und sein möchten. Viele Männer verabschieden sich gerne vom patriarchal-religiösen Rollenverständnis und teilen erleichtert die Verantwortung. Nicht mehr Richtig oder Falsch sollten die Rollenfrage, Familienarbeit und Erwerbstätigkeit bestimmen, sondern allein die persönliche Situation und die spezifischen Talente des Paares. 

*Eleonore Dehnerdt: «Katharina – Die starke Frau an Luthers Seite». 2015. Brunnen Verlag Giessen

These erschienen auf Livenet am 14. Januar 2017

Q&A BLOG LIEBESBEGEHREN RSS

November 4, 2016

Die "Warten"-Lüge

by Veronika Schmidt in Aufklärung, Aufreger, Bibel, das erste Mal, Gleichberechtigung, Selbstgefühl & Selbstwert, Selbstverantwortung, Sex vor der Ehe, Sünde, Zusammenleben, 2017


foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

Immer wieder komme ich mit jungen Erwachsenen ins Gespräch über ihr Warten mit dem Sex. Davon, dass sie warten, sind sie fest überzeugt. Sprechen wir dann aber weiter, kommt schnell heraus, dass sie nicht nur schmusen, kuscheln, küssen und zärtlich sind, sondern dass sie nackt und mit allem Drum und Dran Liebesspiele bis zum Orgasmus haben. Also, alles – nur nicht „richtigen“ Geschlechtsverkehr.

Zu dieser frommen Wartetechnik inklusive Analverkehr gibt es ganz böse Filmchen aus den USA im Netz. Nur war mir bisher nicht bewusst, dass selbst ernsthafte Christen in Europa inzwischen glauben, die „Warte-Barriere“ bestehe einzig und allein beim Scheideneingang.


Ich fragte eine 28jährige Frau, wie sie denn darauf komme, dass richtiger Sex erst beim Geschlechtsverkehr beginne. Und ich fragte sie, weshalb, wenn sie doch als Paar das alles schon täten, sie denn nicht grad richtig Sex hätten. Ausser natürlich vielleicht um nicht schwanger zu werden. Kann man übrigens trotzdem, wenn man nicht aufpasst. Davor erörterten wir, weshalb ihre Art Sex zu haben oder eben ihre Art Nicht-Sex zu haben bei ihnen beiden bereits einige sexuelle Störungen zeigt und für ein späteres lustvolles Voll-Sex-Leben hinderlich sein könnte.

Die Frau erklärte mir, dass wenn sie richtigen Geschlechtsverkehr habe, sie ja quasi den Ehebund vor Gott besiegeln würde, weil dann das Blut vom Hymen fliesse. Davor aber sei es das eben nicht. Das war nicht allein ihre Meinung, sondern offenbar das aller ihrer Freundinnen. Und das gaben sie auch so anderen weiter. Also Blut gleich Bund.  Dazu schrieb ich schon mal was in "Du hebelst grundlegende Ordnungen Gottes aus". Ich war total perplex. Ich dachte echt, solche Geschichten seien vor allem Internet-Stories aus Amerika. Wie zum Beispiel die, dass eine junge Frau ihrem Vater an der Hochzeit ein Zertifikat vom Arzt überreichte, welches ihr noch intaktes Hymen bezeugte. Dass das intakte Hymen ein absolutes Muss ist, hören wir zu genüge von jungen Musliminnen. Auch diese haben Analverkehr, um das Hymen intakt zu halten. Die chirurgische Wiederherstellung des Jungfernhäutchens boomt. Im Internet kann man Jungfernhäutchen-Attrappen mit Blut bestellen, die man in der Hochzeitsnacht einführt. Diese Frau erzählte mir dann auch, dass sie selbst mit dabei war an einem Seminar in den USA, wo über ihrer Gruppe von Frauen gebetet wurde, dass ihre Hymen wieder hergestellt werden.

Ich wollte von ihr wissen, ob sie das denn nachkontrolliert habe. Eine andere Frau erzählte mir mal, weil ich ihr dieselbe Frage stellte, sie hätte nicht nachgeschaut, aber sie hätte starke Schmerzen später beim ersten Sex mit ihrem Mann gehabt und es hätte auch etwas geblutet. Eine Vagina, die „nicht gebraucht“ wird, verengt sich wieder und kann beim ersten Sex nach langer Abstinenz schmerzen. Sex kann auch einfach schmerzen, weil die Muskeln angespannt sind, was bei Nervosität durchaus der Fall ist. Blut kann auch wegen einer kleinen Hautverletzung durch die ungewohnte Reibung fliessen. Gynäkologisch gesehen lässt ein wie auch immer aussehendes Hymen nicht auf Sex schliessen und auch nicht auf keinen Sex. Auch nicht eine Blutung. Abgesehen davon gibt es auch Frauen, die überhaupt kein Hymen haben. Von gar nicht vorhanden bis so dick und fest, dass es vom Arzt geöffnet werden muss - es gibt einfach alles. Unter diesem Link findet Ihr alles Wissenswerte zum Jungfernhäutchen.

Dieser heilige Gral des Jungfernhäutchens – er ist einfach nur Humbug. Unbiblische Mythologie. Es braucht überhaupt kein Blutzeichen. Zur Erinnerung – das Opfer ist vollbracht! Und sowieso nähme mich noch Wunder, wo denn dann das überprüfbare heilige Gralszeichen der Jungfräulichkeit des Mannes ist. Es kann doch nicht unser Ernst sein, dass Gott sowas wichtig sein soll. Es geht doch um ganz andere Dinge.

Frauen brauchen für ihren Selbstwert und ihr Selbstgefühl kein „intaktes“ Jungfernhäutchen, und schon gar nicht als Rechtfertigung für ihre Würde. Sondern sie brauchen zu wissen, wer sie sind und welchen Stand sie haben in Gott. Und sie sollten sich behaupten können, wenn sie gar keinen Sex wollen, er aber unbedingt schon. Die Mythologie um das Hymen hat mit magischem Denken zu tun und gar nichts mit befreiendem Glauben. Es hat auch gar nichts mit Aufklärung zu tun. Statt uns aufs Hymen zu stürzen, sollten wir junge Menschen über Sex aufklären. In Workshops zum Umgang mit Sexualität gehören Informationen zur Sexualität, zum Körper, zur sexuellen Entwicklung, wie man mit sexuellen Sehnsüchten umgeht, wie man Verantwortung und Eigenverantwortung entwickelt, sexuelle Selbstsicherheit und ein gutes Selbstgefühl usw. Da wäre so viel möglich, was junge Menschen echt wissen möchten. Aber dafür muss man sich dieses Wissen erst aneignen. Um Verhaltenscodexe und Hymen-Mythen zu predigen braucht man kein Wissen über Sexualität, tut aber so, als wisse man Bescheid.

Ein junger Mann fragte mich neulich ebenfalls danach, was warten heisst, und meinte: Aber man kann doch auch angezogen einen Orgasmus haben, ist denn das o.k.? Dieser Mann möchte wie viele andere die Grenze bis zum Äussersten ausreizen. Natürlich kann man das. Aber meiner Ansicht nach hat das nichts mit warten zu tun. Warten hat etwas mit Verzicht zu tun. In diesem Fall mit verzichten auf Sex. Sprich, auf sexuelle Befriedigung zusammen mit einem anderen Menschen. Was junge Menschen heute tun, ist warten ohne zu verzichten. Das ist ein Widerspruch in sich. Niemand muss verzichten – aber nennt es um Himmels Willen nicht warten.

Die Frau war am Ende unseres Gesprächs ziemlich betreten. Sie sagte, sie hätte allen gesagt, sie würde warten, und wäre auch sehr stolz darauf gewesen. Aber nun sehe sie, dass dem gar nicht so sei. Daraus nun zu schliessen, man könne jetzt voll aufs Ganze gehen, wenn ein bisschen Sex auch Sex ist, meine ich damit nicht. Ich bin überzeugt, es gibt gute Gründe, zu warten und sich langsam an die Sexualität heranzutasten und auch gewisse Grenzen nicht zu überschreiten. Ein grosses Problem ist ja, dass wir der Sache überhaupt ein Label aufkleben müssen. Müssen wir aber nicht. Geht auch niemanden etwas an. Und selbst diejenigen, die sich nicht anrühren vor der Hochzeit, müssen ja nicht ein Schild „gewartet“ vor sich hertragen. Jesus nennt die Menschen, die rausposaunen müssen, was sie tun „Heuchler“. Allein im Matthäusevangelium 13 Mal.

Es gibt sehr gute Gründe zu warten. Der wichtigste ist, sich erst einmal überhaupt auf andere Weise kennen und immer besser kennen zu lernen. Dann würde vielleicht nicht geschehen, womit ich auch öfters mal konfrontiert bin. Dass Menschen zwar Sex miteinander haben, sich aber partout nicht entscheiden können, den Bund fürs Leben zu schliessen, weil sie sich nicht zu hundert Prozent sicher sind, dass sie den anderen wirklich „so fest“ wollen. Weil es gravierende Dinge gibt, die stören. Abgesehen davon, dass die heutige Generation Paarungswilliger sich tatsächlich extrem schwer tut, sich zu binden, und ihre Ansprüche zum Teil unerfüllbare Dimensionen haben, könnte es eben sein, dass man ohne Sex schneller rausfindet, das es nicht stimmt. Und man würde besser lernen, auf einem hohen Niveau zu kommunizieren, sagt eine Studie. Oder man würde merken, dass man gar nicht miteinander kommunizieren kann. Sex ist in Bezug all dieser Dinge ein schlechter Ersatz für eine gelingende Partnerschaft.

Unsere Zeit hat etwas ganz Kostbares verloren. Ich habe es schon letzte Woche angesprochen. Das Sehnen und Freuen und Verzichten. Die Bibel sagt, dass es Geduld bewirkt und die Geduld Bewährung und die Bewährung Hoffnung (Römer 5, 3-5). Alles Dinge, die uns zu verantwortungsvollen, gefestigten, sozialkompetenten Menschen mit Charakter machen. Zu Menschen mit einer Herzenbsbildung. Es gibt nicht nur im Glauben, sondern auch im Leben etwas Verheissenes, dessen Geheimnisse sich einem nur erschliessen, wenn man verzichten und warten kann.

Ich glaube, ich habe hier im Blog genügend betont, dass Sex richtig sein kann aber auch falsch. Dass jedes Paar für sich die Verantwortung tragen soll und muss. Vor allem zu erwachsenen Menschen sage ich: "Ihr seid niemandem Rechenschaft schuldig. Es geht niemanden was an, was ihr tut. Ihr müsst nicht verzichten, aber bitte nennt es nicht warten auf den St. Jümpferleinstag." :-)

Q&A BLOG LIEBESBEGEHREN RSS

September 16, 2016

Sind die Bibelstellen über die "Unterordnung der Frau" unwichtig?

by Veronika Schmidt in Aufreger, Gleichberechtigung, Gott, Zusammenleben, Bibel, Ehe, 2016


bibelstellenunwichtig.ipg
bibelstellenunwichtig.ipg

Liebe Veronika

Ich habe Deinen letzten BLOG gelesen und hätte da eine Frage. Sagst Du damit, dass diese Bibelstellen von der Unterordnung der Frau unwichtig sind? Ehrlich gesagt sind da ganz viele Stellen in der Bibel, die mich verunsichern und von denen ich keine Ahnung habe, wie sie zu verstehen sind. Gibt es da Grundsätze, wie man diese lesen und interpretieren kann?

Bin sehr interessiert an Deiner Antwort.
Grüsse – Celina, 24 Jahre


Liebe Celina

Keine einzige Stelle in der Bibel ist für mich unwichtig, auch wenn nicht jede denselben Stellenwert hat oder ich sie nicht verstehe. Sogar Gott macht offenbar Unterschiede. Er sagt im AT zum Gesetz (10 Gebote), wie im NT zur Offenbarung, dass wir davon weder etwas wegnehmen noch dazutun dürfen. Gott kann und darf zu mir durch alle Worte der Bibel sprechen. Mir sind zum Beispiel die Worte von Jesus wichtig. Diese habe ich mir in meiner Bibel mit Leuchtstift angemalt. Als Beraterin in Familien- und Beziehungsdingen liebe ich zudem die Lebensgeschichten in der Bibel. David's Generationengeschichte und in diesem Kontext die Sprüche und Psalmen sind aus systemtherapeutischer und geistlicher Sicht hochinteressant.

Ich für mich lese die Bibel mit der Brille der Lebenswelt. Das heisst, ich frage, was bedeuteten diese Worte in der damaligen Lebenswelt, in der sie geschrieben wurden? Was war das für eine Zeit? Wie hat sich Gott damals offenbart? In welcher Situation befand sich der Mensch, von dem gerade erzählt wird? Ich frage nach Zusammenhängen und nach der Heilsgeschichte, die Gott mit dem einzelnen Menschen oder der Menschheit verfolgt. Dann lese ich mit der Brille der heutigen Lebenswelt, unter Einbezug meiner eigenen Geschichte und Erfahrungen mit Gott. Und ich lese ganz bewusst im Vertrauen auf Offenbarungen durch den Heiligen Geist. Ich versuche, aus der damaligen Situation heraus, das zu finden, was in meine jetzige Situation spricht.

Es gab mal eine Zeit, da hatten die Kirchenväter eine Übereinkunft, die Bibel zu lesen, indem sie sich fragten: „Was lese ich - was liest du.“ Es gab nicht nur die eine, richtige Sichtweise. Diese Art Bibelstudium würde auch möglich machen, sich Bibelworte vorzunehmen, die wir nicht verstehen. Denn es gibt massenhaft rätselhafte, nicht eindeutige Worte in der Bibel. Wer die Bibel sehr wörtlich nimmt, muss zwangsläufig einen Bogen um diese Stellen machen. Doch so wird das Evangelium immer kleiner und verkürzter. Ich bin nun 55 Jahre alt und seit Kindesbeinen „unter dem Wort“  :-). Manchmal kommen mir Predigten vor wie eine CD in Endlosschlaufe. Dieselben Predigten. Dieselben Aussagen. Das darf auch so sein, weil ja jede Generation wieder aufs Neue das Evangelium hören soll. Doch gelegentlich denke ich ketzerisch: "Da steht doch noch mehr in der Bibel", "Das könnte man auch anders verstehen" oder „Nur weil wir es immer wieder wiederholen, wird es nicht wahrer.“ Mein Geist ist dagegen hochentzückt, wenn ich mal was Unkonventionelles, Vielschichtiges, etwas „out of the box“ höre.

Doch zurück zur „Unterordnung der Frau“. Nehmen wir als Beispiel Sklaverei. In Galater 3, 28 sagt Paulus: „Nun gibt es nicht mehr Juden oder Nichtjuden, Sklaven oder Freie, Männer oder Frauen. Denn ihr seid alle gleich - ihr seid eins in Jesus Christus.“ Trotzdem sagt Paulus zum Sklaven Onesimus, er solle zurück zu seinem Herrn Philemon - und nicht, er sei jetzt frei. Wohl deshalb, weil es damals keine andere Möglichkeit für Onesimus gab, in der Gesellschaft zu überleben. Und nicht deshalb, weil Sklaverei Gottes Absicht ist. Das ist sie auch heute noch nicht. Genauso wenig wie die Ungleichstellung der Frau.

Jesus und Paulus haben die Frauen in einen für die damalige Zeit aussergewöhnlichen, ja spektakulären Stand versetzt. Ausserhalb des Judentums waren Frauen und Kinder dem Vieh gleichgestellt. Männer konnten über deren Leben eigenmächtig und willkürlich entscheiden. Nun also bekamen die Frauen durch das Evangelium einen Platz in der Gemeinde, zusammen mit den Männern. Gott macht keinerlei Unterschied zwischen Mann und Frau, doch diese Tatsache entwickelte sich gesellschaftlich nicht wahnsinnig schnell . Auch heute sind wir noch nicht am Ziel, aber entschieden weiter als zu Beginn unserer Zeitrechnung. Was aber sollen nun diese umstrittenen Stellen, gelesen aus der Lebenswelt?

Diese Stellen könnte man verstehen, dass sie etwas über das Wesen der Frau aussagen, genauso, wie andere Stellen über das Wesen des Mannes. Man könnte z.B. das Wort „Unterordnung“ auch als „Einordnung“ interpretieren. Weshalb werden Frauen an mehreren Stellen ermahnt, sich einzuordnen in die gegebenen gesellschaftlichen Strukturen? Ich werde jetzt ein wenig gemein, doch steckt ein Kern Wahrheit drin (das nimmt Männer deswegen nicht aus der Verantwortung gegenüber ihren eigenen Schwächen). Frauen haben die Tendenz, „übers Ziel hinaus zu schiessen“ und das haben diese Frauen in ihrer neuen Freiheit bestimmt getan. Sie sind in Gefahr, sich zu überheben, wenn sie nicht mehr unterdrückt werden. In Gefahr zu „labbern“, wenn sie nicht mehr schweigen müssen, auch wenn sie von einer Sache vielleicht gar nichts verstehen. In Gefahr zu manipulieren, wenn sie nicht ans Ziel kommen. In Gefahr auszuteilen, aber nicht einstecken zu können. Die Liste könnte man beliebig fortsetzen.

Paulus wollte den Pendelschlag aus dem neuen Extrem zurück in die Mitte holen (denke ich). Er bringt Gott nach seiner Erkenntnis und natürlich auch durch göttliche Inspiration ins Spiel. Paulus kennt die Ordnungen Gottes aus der Thora genauso gut wie das neue Evangelium. Er sucht nach Bildern und Metaphern, die die Menschen verstehen können. Er bemüht sich darum, was aus Sicht der damaligen Lebenswelt für Frauen trotz der neuen Freiheit gesellschaftlich vorstellbar ist. Er kennt vermutlich die Eigenheiten von Frau und Mann und ist besorgt um ein hilfreiches Zusammenleben in der Gemeinde, Familie und Ehe seiner Zeit.

Beziehung ist heute sehr gut erforscht, wie übrigens auch Erziehung. Das spielt für mich eine Rolle, wenn ich die Bibel lese. Man kann heute wissen, was in der Beziehung gut tut und was nicht. Ein Machtgefälle tut definitiv nicht gut, und ich finde es gottgewollt nicht im Kontext der ganzen Bibel.

Liebe Celina. Wenn ich auf diese Weise die Bibel lesen darf, dann wird sie total spannend. Und diese Erfahrung wünsche ich auch Dir. Herzliche Grüsse - Veronika


BÜCHER ZUM THEMA

VERDAMMTER SEX von Margaret A. Farley

EHE, LIEBE UND SEXUALITÄT IM CHRISTENTUM von Arnold Angenendt

EVA von Helen Schüngel-Straumann

Q&A BLOG LIEBESBEGEHREN RSS

  • Newer
  • Older

© by Veronika Schmidt. Publikation, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung.