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Liebesbegehren – Veronika Schmidt

October 21, 2016

Warum sind manche geistlichen Leiter so körperfeindlich?

by Veronika Schmidt in Aufklärung, Aufreger, Bibel, falsche Scham, Gott, Grenzen setzen, Konflikte, Selbstgefühl & Selbstwert, Sexueller Missbrauch, Sünde, 2016


körperfeindlich.ipg
körperfeindlich.ipg

Hoi Veronika
Eine Frage beschäftigt mich schon länger. Warum denkst Du, sind manche Christen, vor allem Leiter, so körperfeindlich?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese die „sündigen Laster des Körpers“ als ganz besonders schlimm taxieren. Für mich hatte es zur Folge, dass ich meinte, mich selbst kreuzigen zu müssen und mich unglaublich anstrengte, jede sexuelle Regung aus mir rauszureissen. Die Folge war, dass ich meinen Körper zu hassen begann. Ich erlebte Rechenschaftstreffen, in denen  Körperteile freigebetet wurden, oft mit entwürdigenden Methoden.

Was mich zudem nachdenklich macht ist, dass viele christliche Leitende/Seelsorgende schlecht mit Menschen mit Missbrauchsgeschichten, Pornographie oder Scheidung umgehen können. Sie reagieren oft hart und lieblos, und so kommt aufs körperliche Trauma des Ratsuchenden auch noch ein geistliches dazu.

Ich würde mir so wünschen, dass wir Christen mehr Mut zu Seele, Geist und Körper hätten. Liebe Grüsse - Ursina, 36 Jahre


Liebe Ursina

Das ist eine gute Frage – weshalb wir auf Sex-Sünden stärker reagieren als auf andere.  Ich denke, es hat damit zu tun, dass jeder Mensch bei einer sexuellen Fragestellung unmittelbar mit sich selbst konfrontiert ist. Konfrontiert mit seinen eigenen Regungen, Sehnsüchten und seinen Kämpfen damit. Jeder der „fällt“, spiegelt mir, dass mir das auch passieren könnte. Weil ich eben Sexualität nicht aus mir „rausreissen“ kann, wie Du es ausdrückst.

Und natürlich ahnst Du ja schon, dass das Problem die unterschiedliche Wertschätzung von Geist, Seele und Körper ist. Viele Christen  haben immer noch das Bild: Geist gut - Seele problematisch - Körper geht gar nicht. Die Seele ist zu labil, nicht konform in den Reaktionen, der Körper geht nicht, weil Sitz der Geschlechtlichkeit und nicht zu kontrollieren. Aus Sicht des Geistes gesehen, sind seelische und körperliche Bedrüfnisse viel zu banal. Dieses unterschiedlich wertende Denken sehe ich nicht in der Bibel. Und schon gar nicht in der Schöpfung des Körpers, welche eine Körper-Hirn-Einheit ist, die im besten Fall perfekt wechselseitig aufeinander einwirkt. Werten wir Körper und Seele ab, müssen wir uns nicht wundern, wenn wir beginnen diese zu hassen, mit gravierenden Folgen für unser Selbstgefühl.

Das Bedürfnis nach Sexualität ist ein Grundbedürfnis. Wir haben primäre Bedürfnisse wie die nach Luft, Wasser, Nahrung, Schlafen, nach körperlichem Schutz, nach Abwesenheit von Furcht und eben nach geschlechtlicher Befriedigung. Und darüber hinaus auch psychosoziale Bedürfnisse wie die nach Liebe, Geborgenheit, neuen Erfahrungen, Lob, Anerkennung und nach Verantwortung. Alle diese Bedürfnisse betreffen uns ganzheitlich, also Geist, Seele und Körper.

Der Wunsch, die menschlichen Grundbedürfnisse asketisch zu kontrollieren, finden wir in allen Kulturen. Asketen und Körperfeinde, und das sind durchaus Frauen wie Männer, versuchen mit Hilfe des Geistes diese Grundbedürfnisse möglichst klein zu halten oder gar auszurotten. Damit einher geht oft der zwanghafte Impuls, diese Regungen auch beim anderen unterdrücken zu wollen. Leiter sind vermutlich nur mehr in dieser Gefahr, weil sie sich für die Gemeinschaft verantwortlich fühlen.

Der sexuelle Sündenfall des anderen gibt uns die perfekte Gelegenheit, alle eigenen sexuellen Nöte und Frustrationen auf ihn zu projizieren. Ich fühle mich schlecht mit meiner eigenen Sexualität, nicht rein, nicht geistlich genug, vielleicht habe ich sexuell gesündigt, ich kämpfe stark mit meinen sexuellen Bedürfnissen oder habe diesen Kampf unter viel Mühen endlich geschafft. Und nun steht da eine Person, die ist gescheitert und zwar offensichtlich für alle. Ich kann problemlos meinen eigenen Frust auf ihr abladen. 

Diese Regung der Projektion entlarvt Jesus eindrücklich in der Begegnung mit den Schriftgelehrten, Pharisäern und der Ehebrecherin in Johannes 8,2-11. Hier wird eine Konfrontation mit Jesus beschrieben zu der Frage, ob eine Frau die soeben beim Ehebruch erwischt wurde, gesteinigt werden muss. Die Wendung „den ersten Stein werfen“ aus Vers 7 dieser Begebenheit ist als geflügeltes Wort zur Beschreibung selbstgerechten Verhaltens in viele Sprachen eingegangen. Jörg Zink drückt es in seinem Buch WAS BLEIBT, STIFTEN DIE LIEBENDEN unverblümt so aus: "Die Ehebrecherin ist sozusagen das Lasttier, auf das der Neid, die Geilheit, die Lüsternheit der anderen gepackt werden. Sie hat alles zu tragen, was in den Gerechten rumort, nach oben drängt und sogar dann und wann ausbricht." Jesus sagt den selbstgerechten, verurteilenden und ihre eigenen sexuellen Stolpersteine auf die Frau projizierenden Pharisäern und Schriftgelehrten: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.“ Die Umstehenden liessen einen nach dem anderen ihre Steine (Projektionen) fallen und gingen weg. 

Aus meiner langjährigen Erfahrung kann ich ohne Übertreibung festhalten: Die grössten Moralapostel haben oder hatten am meisten Dreck am Stecken. Ihr Kampf gegen die sexuellen Regungen ist ihr eigener Kampf um sexuelle Reinheit. Das viele Ratgebende nicht sinnvoll mit Ratsuchenden umgehen können, ist für mich neben derer eigener Befangenheit mangelnde Kompetenz und Unwissen. Gerade wenn es um die Sexualität geht, ist die Christenheit schlicht und einfach sprachlos, sprich sprachunfähig. Dieser Mangel liesse sich aber beheben, wenn man denn wollte.

Dass Unwissen oder einseitiger Glaube im schlimmsten Fall auch zu absurden exorzistischen Ritualen führen kann, wie du antönst, ist für mich eindeutig sektiererischer und grober geistlicher Missbrauch. Deshalb halte ich es für wichtig, dass wir uns nicht von geistlichen Autoritäten abhängig machen. Wir sollten vor allem von Gott abhängig sein und selbst um unseren Glauben, unser Wissen und unsere Aufklärung bemüht sein. Paulus sagt im 1. Thess. 5, 21:  „Prüft aber alles, das Gute haltet fest!“ Halte ich mich in einer geistlichen Gemeinschaft auf, wo das was da abläuft, für mich nicht gut anfühlt, sollte ich unbedingt den Mut haben, mich zu lösen und zu gehen.

Diese Freiheit, liebe Ursina, wünsche ich uns allen zu jeder Zeit. Herzlich - Veronika


weiterer Blog zum Thema: DER MYTHOS SEXUALTRIEB UND SEINE DÄMONISIERUNG

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September 2, 2016

Sexueller Missbrauch - das (nicht nur) christliche Tabu

by Veronika Schmidt in Sexueller Missbrauch, Fragen, Gott, Grenzen setzen, Selbstgefühl & Selbstwert, Selbstverantwortung, Sünde, Zusammenleben, 2016


foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

Liebe Veronika

Ich beschäftige mich aktuell beruflich stark mit dem Thema "sexueller Missbrauch". Dabei stelle ich mir immer mehr die Frage, was Sexualität denn so bedeutsam macht, dass die Menschen sie benutzen, um andere Menschen zu erniedrigen, und warum ein sexueller Missbrauch Menschen so umfassend zerstören kann.

Klar, auch körperliche und seelische Gewalt zerstören. Aber warum benutzen Menschen überhaupt die Sexualität dazu? Oder warum benutzt Satan die Sexualität/sexuelle Identität um zu zerstören?

Warum ist Sexualität so wichtig für den Menschen? Warum hat Gott dem so eine Bedeutung beigemessen und was hat er sich dabei gedacht?

Schliesslich noch die Frage, warum hat Gott Sexualität überhaupt für nötig befunden? Bitte nicht die Antwort "weil‘s schön ist", sondern was wiederspiegelt sie und wie steht Sexualität in Verbindung mit der geistlichen Dimension?

Bin mega gespannt auf Deine Antwort.
Herzlich, Isabella, 34 Jahre

 


Phuu, liebe Isabella, Du bringst mich echt ins Schwitzen!

Deine Fragen beschäftigen alle, die mit sexuellen Verletzungen, Missbrauch und Ausbeutung konfrontiert oder davon betroffen sind. Mich machen viele Geschichten, die ich höre, ziemlich sprachlos. Vor allem, wenn die Täter Christen sind. Dazu noch Christen in Leitungsverantwortung. Wie können Menschen – oft, aber nicht immer Männer -  solche Dinge tun? Weshalb werden diese Dinge in der christlichen Gemeinde verschwiegen und unter den Teppich gekehrt? Weshalb werden Opfer zu Tätern gemacht? Die Betroffene ILLE OCHS hat sich diesen schmerzhaften Fragen in ihrem neuen Buch IM KÄFIG DER ANGST gestellt.

Als Therapeutin bemühe ich mich sehr, das Gute, das Potenzial im Menschen zu sehen. Doch angesichts aller Gräuel in dieser Welt – schon immer, nicht erst heute – fühle ich mich oft ohnmächtig gegenüber der Bösartigkeit des Menschen. Ist der Mensch eine Bestie? Was macht den Menschen zur Bestie? Oft auch zu einer Bestie im Nadelstreifenanzug? Die gefallene Schöpfung, der sündige gottferne Mensch, die Mächte der Finsternis sind als Erklärung für Dich sicher nicht zufriedenstellend. Und Du fragst ja nach Gründen für die sexuelle Gewalt.

Die Welt wird regiert mittels Macht, Geld und Sex. Heute bin ich überzeugt, alle drei bedingen einander. Wo das eine ist, sind auch die anderen. Aber weder mit Macht noch mit Geld lassen sich Menschen so nachhaltig zerstören wie mit Sex. Und weil der Mensch das offenbar weiss, gibt es keine Kriege ohne systematische sexuelle Gewalt. Weltweit wird mehr Geld verdient mit sexueller Gewalt als mit Drogen – und entsprechend natürlich auch konsumiert. Menschenhandel und Sklaverei sind weiter verbreitet als je zuvor in der gesamten Menschheitsgeschichte und immer gepaart mit sexueller Gewalt.

Sexuelle Übergriffe, egal welcher Intensität, verletzen oder zerstören unsere persönliche Integrität und Identität. Und weshalb mehr als alle andere Gewalt? Weil es keine krassere Grenzüberschreitung gibt. Weil sie eine eindringende Gewalt ist. Sie dringt buchstäblich und real in den Körper ein. Und sie lässt nicht nur seelische und körperliche Verletzungen zurück, sondern auch die innere Verschmutzung vom Peiniger und im schlimmsten Fall ein Kind. Sämtliche Wahlmöglichkeiten und die Würde werden einem genommen. Und genau das zerstört unsere Person, welche, wenn intakt, angelegt ist auf menschliches Zusammensein, welches nur gesund stattfinden kann, wenn die gegenseitigen „Grenzen“ (Integrität) und das „Wer-ich- bin“ (Identität) gewahrt werden und ich diese verteidigen kann (mit Grenzen setzen und Kommunikation*). Täter achten und respektieren keinerlei persönliche Grenzen.

Du fragst, weshalb gibt es Sexualität überhaupt? Was hat sich Gott dabei gedacht? Ich möchte mir nicht anmassen, das zu wissen. Aber ich finde für mich ein paar Gedanken, die mir gefallen. Es gibt Bibelausleger, die aufgrund der verschiedenen Schöpfungsberichte davon ausgehen, dass der Mann und die Männin im Paradies noch nicht den irdischen Körper und keinen Sex hatten. Auch in der Ewigkeit werden wir nicht mehr im irdischen Körper und in sexueller Weise Mann und Frau sein. Wie dem auch sei - es gab im Paradies also engste ganzheitliche Beziehung und Gemeinschaft untereinander und zu Gott. Für Gott hätte das so bleiben können. Es war ja noch nichts vergänglich. Doch dann haben die zwei Paradiesmenschen das einzige bestehende Stopp-Signal übertreten (Grenzüberschreitung) und mussten in der Folge die Gemeinschaft mit Gott verlassen. Angst, Scham, Einsamkeit, alle die uns so vertrauten Gefühle bestimmten nun ihr Leben. Sie bekamen einen irdischen, verwesenden Körper und die Sexualität, damit sie sich wenigsten auf diese menschliche Art ähnlich nahe sein konnten, wie zuvor in der Nähe mit Gott. Sie sollten sich auch vermehren können, weil ja nun alles endlich sein würde, vom Tod bedroht.

Es hätte schon Sinn gemacht und würde immer noch Sinn machen, wenn wir verantwortungsvoll damit umgehen würden. Nichts bringt uns dem Partner näher, als wenn wir uns geistig, seelisch und körperlich unverschämt zeigen und auf ihn einlassen können. Mehr Nähe geht nicht. Das ist für mich die geistliche Dimension. Auch nichtgläubige Paare bestätigen, dass es diese tiefen spirituellen Momente im Geschlechtsakt gibt. Und umgekehrt erleben gläubige Paare nicht unbedingt diese Intimität, wenn sie sich einander nicht in dieser Dimension öffnen. Immer wieder drückt Gott in der Bibel seine Sehnsucht nach tiefer Gemeinschaft mit dem Menschen aus und vergleicht sie mit der Paarbeziehung. Er wünscht sich, dass es für alle, für ihn mit den Menschen, für die Paare miteinander, so wäre, wie von Anfang an gedacht. Aber wir haben alles pervertiert, um damit unsere Macht auszuspielen, den anderen zu erniedrigen und zu quälen. Selbst Christen sind nicht davor gefeit, gequält zu werden, noch wohnt in ihnen automatisch das Gute.

Und so sind wir nun beim freien Willen des Menschen. Jedem Menschen. Wir haben eine Wahl. Wir haben einen freien Willen, Gott hat sich so entschieden. Wir Christen sagen oft so schnell, Satan habe alles Gute von Gott pervertiert. Siehe auch den Beitrag DIE DÄMONISIERUNG DES SEXUALTRIEBS. Doch wer ist Satan? Wer sind die Dämonen? Sitzt nicht in uns drin unser grösster Feind, unsere dämonischste Finsternis, unsere schrecklichste Bedrohung? Die Gier nach Macht, Einfluss, Geld, Ausschweifungen, Lustbefriedigung um jeden Preis, Bequemlichkeit um jeden Preis? Immer mal wieder sitzt ein von einer Affäre betroffenes Paar vor mir und sagt übereinstimmend: „Das ist ein dämonischer Angriff auf unsere Ehe.“ „Die andere Frau, der andere Mann ist in unsere Ehe eingedrungen.“ – Entschuldigung, so einfach ist es nie. Selbst wenn ich verführt werden sollte, habe ich die Wahl, mich darauf einzulassen. Oft habe ich bis zur letzten Wahl schon ein paar andere Entscheidungen getroffen. Oder Nicht-Entscheidungen, was auch eine Wahl ist.

Unser Leben ist ein uns von Gott anvertrautes Pfund. Nicht jeder hat dieselben Voraussetzungen, dasselbe Mass. Aber wir sollen nach bestem Wissen und Gewissen daraus was Gutes machen. Doch wenn was schief läuft, ruft der Mensch in seinem Entsetzen aus: „Wo war da Gott?“. Ich frage: „Wo ist da Gott in Dir, in Deinem Nächsten, in der Weltgemeinschaft? Kümmert es jemanden, wie Gott es meinen würde, damit es ein gutes Leben für alle gibt?“ Ich kann Gott nur in mir selbst finden, in meiner Beziehung zu ihm oder in anderen Menschen, die Gott lieben und in der Gemeinschaft mit ihnen. Es gibt im Moment nur den Beziehungsgott, der sich in unserem Leben zeigt. Der Weltengott zeigt sich noch nicht, aber die ganze Schöpfung wartet darauf, dass er es tut. (Römer 8, 18-39). Indem wir uns für missbrauchte Menschen einsetzen und dafür, dass (sexuelle) Ausbeutung in allen Formen aufhört, können wir die Freiheit und Erlösung im Kleinen schon wahrmachen.

Du fragst auch: „Was macht Sexualität zentral?“ Sexualität, Geschlechtlichkeit und die entsprechenden körperlichen, hormonellen und hirnorganischen Vorgänge sind hoch komplex und machen uns erst zu einer Frau oder einem Mann und stiften die entsprechende Identität. Sexualität beschert uns über diese Vorgänge hinaus auch einen inneren Motor, einen Antrieb. Sexualität ist Energie in uns. Dieser Motor ist nicht zwingend die sexuelle Betätigung, aber auch. Die sexuelle Anlage an sich ist es. Dass ich bewusst damit lebe und mich als sexuelles Wesen anerkenne mit sexuellen Sehnsüchten. Dass das gut so ist und ich meinen Körper und seine Empfindungen lieben darf. Diese sexuelle Energie und Sehnsüchte kann ich auch auf nicht sexuelle Dinge und Beziehungen übertragen und ausleben. In Kreativität, Nächstenliebe, Projekte, Freundschaft, eigenem Wohlbefinden usw. Das können wir vielleicht erst verstehen, wenn wir an Menschen die schrecklichen Folgen  zerstörter Sexualität sehen. Die Persönlichkeit ist gebrochen. Energie und Kreativität sind weg. Alles im Leben fällt schwer. Das Lebhafte ist weg. Der Missbrauch ist vielleicht verdrängt, abgespalten und verborgen, aber das Empfinden von Geborgenheit, Freude, Lebendigkeit und Beständigkeit kann sich nicht mehr einstellen.

Liebe Isabella, unsere Geschlechtlichkeit, unsere Sexualität ist viel umfassender und ganzheitlicher, als nur der sexuelle Akt. Gott hat es so eingerichtet, damit für ein Paar tiefste, umfassendste Intimität. Vertrautheit und Gemeinschaft möglich ist, dass wir ineinander uns selbst finden können und unsere Persönlichkeit entwickeln. Davon schreib ich auch im zweiten Teil in meinem Buch. Pervertierte Sexualität wird genau das Gegenteil bewirken. Wir verlieren uns als Paar, verlieren uns selbst, werden distanziert, hart und kalt und entwickeln uns im schlimmsten Fall zur egoistischen Bestie, die den anderen quält, erniedrigt und ihm den Lebensmotor abwürgt.

Herzliche Grüsse – Veronika

* Buchempfehlung
  GRENZEN SETZEN - GRENZEN ACHTEN
von Anselm Grün und Ramona Robben
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December 4, 2015

Die Tyrannei der Intimität - Rechenschaft einfordern

by Veronika Schmidt in Konflikte, Selbstverantwortung, Grenzen setzen, Zusammenleben, 2015


foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

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Liebe Veronika

Erst mal danke für Dein Buch. Ein Satz ist mir besonders hängen geblieben. Der über die Tyrannei der Intimität. Nun, ich erlebe sehr oft in unserer christlichen Gemeinde und im Bibelkreis, dass meine persönlichen Grenzen schroff übertreten werden. Dies wird immer so ausgelegt, als ob ich noch etwas zu lernen hätte. Man lässt mich zum Beispiel ungefragt wissen, ich sei zu sensibel. Weil ich keine Kinder und keinen Mann habe, wäre ich deshalb konfliktscheu. Weil ich keine Berührungen von Fremden mag, wäre ich lieblos und mit Komplexen behaftet.

Aber ich finde mich eigentlich ganz normal und bin soweit zufrieden mit mir. Natürlich muss ich noch an vielem arbeiten. Aber ich leide nicht so sehr darunter, dass ich keine Kinder und keinen Mann habe, wie andere mir das zuschreiben möchten. Ich beginne erst zu leiden, wenn man mir sagt: „Ich wünsche Dir wirklich einen Partner“. Erst dann komme ich mir unvollkommen vor. Jedenfalls führt mich das in die Isolation und Ausgrenzung, weil ich mich zurückziehe, wenn Gläubige mir ständig mit unschönen Bemerkungen begegnen, als ob mit mir etwas nicht in Ordnung sei.

Ich möchte in Würde leben, meinen Freiraum, meine Persönlichkeit geniessen und nicht ständig mit Übertretungen konfrontiert werden. Ich möchte nicht rundheraus gefragt werden: „Du mit Deinen 47 Jahren, hattest Du schon Sex? Falls ja, wäre das ja nun eine grobe Sünde, falls nein, bekomme ich zu hören:  „Oje, du hast nie ein Gefühlsleben entwickelt und Dir fehlt die Erfahrung von Sex - wie traurig, arm, ungesund...“

Heute kam mir der Gedanke, dass diese Übertretungen genau von den Leuten kommen, die selber verletzt worden sind oder ein Defizit haben - Nun meine Frage: Könnte das sein? Sollte ich mich weniger angegriffen fühlen?

Maria, 47 Jahre


Liebe Maria

Ja, die fromme Industrie! Da haben wir ein paar Eigenheiten produziert, die nicht so richtig fröhlich machen. Da sind Dinge entstanden, die man gerne dem Kontrollwahn zuschreiben darf und die nicht der Bibel oder dem Heiligen Geist entsprechen. Was Du da beschreibst, ist leider kein Einzelfall. Es sind unschöne, grenzverletzende Gewohnheiten.  Wir meinen, einen Anspruch darauf zu haben, dass andere uns ihre Seele bis in den verborgensten Winkel offenbaren. Oder wir offenbaren unser Innerstes anderen, ohne sie zu fragen, ob ihnen das angenehm ist. Das geht soweit, dass Männer vor versammelter Gemeinde Selbstbefriedigung oder Pornokonsum bekennen. Mit dieser Tyrannei der Intimität verlieren wir jede Distanz und überschreiten alle Grenzen. Im schlimmsten Fall entsteht daraus emotionaler und geistlicher Missbrauch. Nähe braucht immer auch Distanz und Grenzen, sonst wird sie unerträglich. Das gilt für jede Form von Beziehung, für Freundschaften genauso wie für die Paarbeziehung. Oft wird es in einer Beziehung zu eng und kommt es deswegen zu Konflikten, weil wir nicht gelernt haben, Übergriffe abzuwehren. Wir haben in der Gemeinde keinerlei Kultur etabliert, die uns ermöglicht und erlaubt, uns abzugrenzen gegen unerwünschte Unverschämtheiten. Niemand lehrt uns, dass wir in einem solchen Fall sagen dürfen: „Ich wüsste nicht, was Dich das angeht!“ – „Ich suche mir die Menschen selbst aus, mit denen ich diese Themen besprechen möchte!“ – „Ich möchte Deine guten Ratschläge nicht, vielen Dank!“

Vor allem wenn es um Sex geht, besteht eine unausgesprochene aber teils auch geforderte Rechenschaftspflicht. Ein ganzes Segment Bücher widmet sich dem. Man (vor allem Mann) schliesst Verträge, Bündnisse mit Mentoren, Gebetspartnern, seinen Augen, seinen Händen und was auch immer, um so besser auf dem rechten Pfad zu bleiben. Sobald ein junges Pärchen sich findet, wird es angesprochen, ob sie nicht jemanden bräuchten, der ihnen helfen würde, rein zu bleiben und der dann das Recht hätte, danach zu fragen, wie weit die Beiden gehen würden, welche Regeln sie einzuhalten gedenken usw. Für mich ist das nichts anderes als Voyeurismus.

Nun vermutest Du solche Grenzübertretungen vor allem von verletzten Menschen. Im weitesten Sinne hast Du recht. Ich würde es anders ausdrücken und sagen, dass dies vor allem Menschen tun, die mit sich selbst nicht im Reinen sind. Die ihre eigenen inneren Konflikte auf die anderen übertragen. Die damit ihre eigenen sexuellen Nöte bekämpfen. Oder auch solche, die den eigenen sexuellen Richtlinien nicht genügen konnten und nun daraus ein Sendungsbewusstsein entwickeln, andere vor denselben Fehlern bewahren zu wollen. Oder es sind schlicht unglaublich selbstgerechte Menschen, die so aber auch ein gewisses Defizit an Selbstvertrauen offenbaren, sonst hätten sie es nicht nötig. Und dann sind da noch die Arglosen, die glauben, dass sie damit anderen einen Dienst erweisen, weil ihnen das so beigebracht wurde.

Egal mit welchen Problemen Menschen in meine Beratung kommen, am Ende läuft es darauf hinaus, dass sie lernen müssen, Grenzen zu setzen – und im Gegenzug – loszulassen. Sprich, wer beides kann, erscheint vermutlich nie in meiner Praxis, egal ob es um die Gemeinde, Partnerschaft, Sexualität, Kindererziehung, Freundschaften oder um das Berufsleben geht. Ein hilfreiches wunderbares Kleinod zu diesem Thema ist das Büchlein von Anselm Grün GRENZEN SETZEN - GRENZEN ACHTEN.

Mit diesen Ausführungen will ich auf gar keinen Fall sagen, dass wir nicht Menschen brauchen, mit denen wir unser Innerstes teilen. Die brauchen wir sogar ganz dringend. Mit und an diesen Menschen wachsen wir und finden zu unserem wahren ich. Solche Beziehungen entstehen nicht durch einfordern von Rechenschaft, sondern durch Vertrauen, das erworben sein will. Vertrauen kann nie und nimmer eingefordert werden. Vertrauen wird geschenkt. Vertrauen schenken wir dann, wenn wir uns sicher, verstanden und aufgehoben fühlen, bei Menschen, die uns gut tun.

Ja, liebe Maria, Du solltest Dich weniger angegriffen fühlen, indem Du Angriffe, ob es nun welche sind oder Du sie nur als solche empfindest, einfach ignorierst und Dich innerlich distanzierst. Wenn Du schlagfertig genug bist, dann grenze Dich auch verbal ab.  Oder sonst einige Zeit später, indem Du sagst: „Weißt Du was, das damals hat mich verletzt und ich will das von Dir nicht mehr hören.“  - Jede Grenzsetzung wird in Dir neue Freiheit bewirken. Was andere dazu meinen? Ich behaupte, sie werden Dich mehr respektieren. Und wenn nicht - who cares? Denn ist Dein Ruf erst ruiniert, lebt sichs gänzlich ungeniert!

In diesem Sinne herzliche ungenierte Grüsse -  Veronika

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© by Veronika Schmidt. Publikation, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung.