Search
  • Home
  • Veronika
  • Q&A BLOG LIEBESBEGEHREN
  • Übersicht alle Blogs
  • Video-Sex-Tipps
  • ENDLICH GLEICH! BUCH & BLOG
  • Deine Frage
  • Bücher LIEBESLUST & ALLTAGSLUST
  • Bücher bestellen
  • Interviews & Medien
  • Veranstaltungen
  • Literatur & Links
Close
Menu
Search
Close
  • Home
  • Veronika
  • Q&A BLOG LIEBESBEGEHREN
  • Übersicht alle Blogs
  • Video-Sex-Tipps
  • ENDLICH GLEICH! BUCH & BLOG
  • Deine Frage
  • Bücher LIEBESLUST & ALLTAGSLUST
  • Bücher bestellen
  • Interviews & Medien
  • Veranstaltungen
  • Literatur & Links
Menu

Liebesbegehren – Veronika Schmidt

March 17, 2024

MISSBRAUCH IN DER KIRCHE

by Veronika Schmidt in Aufklärung, Beschämung, Christliche Lebenswelt, Christliche Erziehung, Interview, Kirche, Podcast, Sexueller Missbrauch, sexualisierte Gewalt, übergriffige Religiosität, 2024



DIE BESTE PRÄVENTION IST AUFKLÄRUNG

VERONIKA SCHMIDT IM GESPRÄCH MIT SARAH STAUB VOM PODCAST DER ZWEIFELCLUB

Wir sprechen über patriarchale Gewalt, Reinheitskultur und die Befreiung daraus. Sexuelle Gewalt, Missbrauch und übergriffige Religiosität in den Kirchen ist leider ein Thema. Und wir sprechen darüber, wie gesunde Sexualität erlernt werden kann - trotz enger, rigider Sexualnormen.

PODCAST "DER ZWEIFELCLUB” - VERONIKA SCHMIDT - DIE BESTE PRÄVENTION IST AUFKLÄRUNG

Auf DER ZWEIFELCLUB finden sich weitere vorangehende Folgen zum Thema sexuelle Gewalt in der Kirche:

  • Julia - meine Sexualität gehört mir!

  • Nadine Roth - Mobbing ist Missbrauch

  • Valérie Schild-Wüthrich - von Täterinnen und Tätern, Opfern und der Vergebung

  • Dani und Sarah - betroffen von Missbrauch?!

  • Daniela - eine Christfluencerin dekonstruiert!

  • Mark - Heilung durch Kommunikation (Präventions- und Aufklärungsfolge)

 
Q&A BLOG LIEBESBEGEHREN RSS

September 6, 2018

HEISSER SOMMER DER DOPPELMORAL

by Veronika Schmidt in Aufreger, Gleichberechtigung, Gott, Rollenbilder, Sexismus, Sexueller Missbrauch, Christliche Lebenswelt, 2018


foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

foto: liebesbegehren

Dieser Sommer stimmt mich nachdenklich aus verschiedenen Gründen. Einerseits das Wetter. Heiss und schön, wer kann da in unseren Breitengraden etwas dagegen haben! Auch ich nicht. Und doch – der fehlende Regen auf der einen, die übermässigen Wolkenbrüche auf der anderen Seite und die weltweiten Wetterphänomene an sich lassen einen das Ganze nicht ganz unbeschwert geniessen. Fast möchte man meinen, sie seien Zeichen für ausbleibenden Segen und logische Konsequenzen in noch grundlegenderen Gebieten unseres Menschseins.


In den 70er Jahren sozialisiert in einem „grünen“ christlichen Elternhaus ohne Auto und Luxus, waren wir als Familie nicht nur eine exotische Ausnahme, sondern ich konnte über Jahrzehnte feststellen, dass sich die christliche Lebenswelt mehrheitlich um die Schöpfung von Natur und Tierwelt foutiert. Mein Vater setzte sich dafür ein, dass Sumpfgebiete und Moore zu Naturschutzgebieten erklärt und die Waldränder nicht bis in den letzten Winkel von der Landwirtschaft zugedungt wurden, damit den immer seltener werdenden Pflanzen, Insekten, Vögeln und Tieren ihr Lebensraum erhalten blieb. Von anderen Christen wurde er deswegen jahrzehntelang belächelt. Gott gab dem Menschen, Mann und Frau gemeinsam, den Auftrag, diese Schöpfung verantwortungsvoll zu bebauen und zu verwalten. Doch heute stehen wir vor einer Situation, in der wir die Augen nicht mehr verschliessen können vor der laut schreienden Schöpfung von Natur und Mensch (ausgenommen die Privilegierten des reichen Westens und die Korrupten): „Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung zusammen seufzt und zusammen in Geburtswehen liegt bis jetzt.“ (Römer 8.22)

Gott verheisst: „Ich werde den Regen fallen lassen zu seiner Zeit, Regen des Segens werden es sein.“ (Hes. 34.26) Wir brauchen dringend diesen Regen des Segens für unsere gesamte Schöpfung – unbedingt. Aber auch für ein paar andere brachliegende Gebiete in der christlichen Lebenswelt. Das ist mein inbrünstiges Gebet. Denn ich sass über den Sommer zwei Monate unter dem Sonnenschirm in unserem Garten und schrieb ein neues Buch zu den Rollenbildern von Frau und Mann in der evangelikal-freikirchlichen Lebenswelt. Dieses brandgerodete Thema liess mich zunehmend nachdenklicher werden – mehr, als ich eh schon war, je mehr ich recherchierte und schrieb. Und dann – so ganz nebenbei – mitten im Sommerloch – lupfte es die Deckel der christlichen Moralkübel, über die ich mir grad eben viele Gedanken machte.

Es schien, als wäre die Kapazität des Verbergens und „unter dem Deckel halten“ erschöpft – und die üble Brühe quoll einfach über. Es eskalierte die bereits seit Monaten rumorende Willow Creek–Geschichte um Bill Hybels aufgrund eines Artikels in der New York Times und fast zeitgleich veröffentlichte die Justiz  im US-Staat-Pennsylvania einen 848 Seiten dicken akribisch aufgearbeiteten Bericht zu unsagbaren Missbräuchen in der katholischen Kirche. Dazu gesellte sich einmal mehr ein weiterer Sport-Missbrauchsskandal (US-Wasserspringerinnen). Der Skandal zum Skandal selbst ist dabei immer derselbe: Abstreiten und Vertuschen durch die Verbands- oder Kirchenleitungen.

In der katholischen Kirche Pennsylvanias haben 300 Priester in den letzten 70 Jahren über 1000 Kinder belästigt, missbraucht, vergewaltigt (geschwängert und zur Abtreibung gedrängt), gedemütigt und teilweise als pädokrimineller Ring sich gegenseitig Kinder zugehalten. Diese Vorkommnisse reihen sich leider nur ein in weitere Missbrauchsskandale seit Jahren: 2002 die Diözese Boston, 2007 die Erzdiözese Los Angeles, 2009 die irische Kirche, 2010 die Bistümer München-Freising und Berlin, 2017 die Diözesen Australiens, ebenfalls 2017 nochmals die Kirche Irlands, als tausende verscharrter Kinderleichen in Heimen für Säuglinge und ledige Mütter ausgegraben wurden, und dann die zahlreichen chilenischen Bischöfe, die wegen Vertuschung von Missbräuchen zurücktreten mussten. „Der Kindsmissbrauch durch Kleriker nimmt langsam epidemisches Ausmass an“, kommentierte Michael Meier, Fachjournalist für Religion. Möglich machten die Untersuchungen in Pennsylvania die staatsanwaltlichen Organe, weil nicht mehr länger die Kirche selbst diese Missbräuche „aufarbeitete“. Bischöfe und Würdenträger hatten den Missbrauch systematisch vertuscht und die Täter gedeckt. "Der Missbrauch war masslos und weit verbreitet", so der Generalstaatsanwalt Josh Shaphiro. Die Taten sind verjährt, ein Drittel der Priester ist verstorben.

Probleme des (sexuellen) Machtmissbrauchs gibt es in allen Kirchen, Institutionen, Vereinen, Sport, Kultur und leider auch in der intimsten Einrichtung der Familie. Je geschlossener, intransparenter und hierarchischer das System, desto anfälliger ist dieses für alle Arten von Missbrauch. In der Gesellschaft nehmen Kindsmisshandlungen zu, ebenso die Gewalt an Frauen (oder aber auch einfach der Wille, das Schweigen zu brechen). Schockierend in der Kirche ist aber die Doppelmoral anstelle der Vorbildwirkung. Denn dürften wir von der Kirche nicht zu Recht etwas anderes erwarten? Eben deshalb, weil sie einen strengen moralischen Standard vertritt und auch einfordert? Und an diesem Massstab wird sie letztlich gemessen, sagt die Bibel: „Denn wie ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welchem Maß ihr messt, wird euch zugemessen werden.“ (Matth. 7.2)

Diese Vorkommnisse auf die Sexualität zu beschränken, greift viel zu kurz. Und wenn, geht es vor allem um die Tabuisierung der Sexualität. Deshalb sind die nun in Aussicht gestellten Sexualkurse und -Beratungen der Priesterschaft eine richtige Massnahme, aber sicher nicht die einzige. Sexualaufklärung ist immer eine gute Sache gegen die Problematisierung und Stigmatisierung der Sexualität, in jedem Segment der Gesellschaft und Kirche. Aber grundsätzlich geht es vor allem um Macht. Sexuelle Übergriffe und sexuelle Gewalt sind Machtdemonstrationen. Auch wenn viele Männer das nicht gerne hören, zitiere ich hier eine ganz aktuelle Aussage eines Mannes: „Primitive Übergriffe sind vielleicht ein hilfloser Versuch, sich als Mann zu erleben.“ Das sagt Allan Guggenbühl, Psychologe, der in den 90er Jahren das Männerbuch schrieb "Männer, Mythen, Mächte - ein Versuch, Männer zu verstehen". Übergriffe haben mehr mit dem mangelnden Selbstwert der Täter*innen zu tun als mit (unerfüllten) sexuellen Bedürfnissen, obwohl Machtdemonstrationen und Gewaltanwendungen durchaus ein pervertierter Lustfaktor innewohnt. Auch dass die Sexualität (vor allem die weibliche Sexualität und die Frau als solches) dämonisiert wurde/wird in der Kirche, hat allein mit dem Erhalt des Machtgefüges zu tun.

Der Alt-Abt Martin Werlen vom Kloster Einsiedeln schreibt dazu: „Über Jahrhunderte war die Kirche eine grosse Macht – trotz der klaren Weisung des Evangeliums: "Bei euch aber soll es nicht so sein." (Markus 10.43). Der Skandal des Machtmissbrauchs, der Skandal der sexuellen Übergriffe und der Skandal der Vertuschung sind wesentlich Folgen dieser Machtposition mit ihren Privilegien.“ Die Zeit der Macht der Kirche ist vorbei und der Reformstau enorm, schreibt Werlen weiter. Es brauche ein entschlossenes Miteinander-auf-dem-Weg-sein, doch auch das würde nicht allen gefallen. Wer sich einer Veränderung in der Kirche entgegenstellt, ist versucht, das mit dem altbekannten Mittel des Pharisäismus zu tun. Dieser lauert nach Werlen „an der Tür der Frommen, besonders derjenigen, die Macht haben oder die Macht erhalten wollen. In der Kirche wurde diese weit verbreitete fatale Haltung immer wieder mit einem frommen Mäntelchen bekleidet. Verurteilt wurde selten die Haltung der Gesetzeshüter (wie das Jesus getan hat), die den Menschen in seiner Not übersehen. Verurteilt wurden oft die einfachen Menschen, die dadurch nicht selten in Nöte und Ängste getrieben wurden. Wie anders tönt das Wort Jesu: «Amen, ich sage euch: Die Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr» (Matthäus 21.31).“

In mir klingt bei diesen Worten selbstverständlich das Thema Frau in der Kirche an. Macht, Sexualität und das Rollenverständnis von Frau und Mann in der Kirche lassen sich nicht trennen. Das bestätigten in der Diskussionssendung CLUB zum Thema "Schweigen in der Soutane" sowohl Martin Werlen, als auch Felix Gmür, Bischof von Basel und neuer Präsident der Schweizer Bischofskonferenz. Sie bekräftigen das entsprechende Statement der katholischen Seelsorgerin und Theologin Monika Schmid, die sagte: "Es wären sicher nicht alle Probleme gelöst. Aber wenn unsere Kirche die Gnade hätte, Frauen auf Augenhöhe in allen Ämtern zuzulassen, wenn Frauen Zugang hätten zu Leitungsfunktionen, dann wäre dieses Ausmass an Missbrauch nicht in unserer Kirche. Da bin ich ganz sicher. Der selbst von Papst Franziskus als "anomal" bezeichnete Klerikalismus* würde durchbrochen." "Wo immer Frauen involviert sind, ändert sich an Athmosphäre und Machtdynamik eine ganze Menge", versichert auch der mit dem Thema vertraute Psychoanalytiker und erem. Professor Udo Rauchfleisch im Gespräch. 

Leider löst dieser Themenkomplex sofort auch Unmut aus, sobald die Rede darauf kommt, das konnte ich über den Sommer laufend und konsterniert feststellen. Es ist deshalb richtig, wenn Ulrich Eggers als Vorsitzender von Willow Creek Deutschland in einer Stellungnahme schreibt, dass sie Fragen nach der Faszination und Gefahr von Größe, der Rolle von Sexualität im Leben von Leitenden und dem Vorrang für Charakter und Integrität thematisieren müssen: „Das ist ein Dauerbrenner für uns alle – und wir wissen um diese Gefahren ja nicht erst seit heute.“ Aber offensichtlich braucht es erst die Skandale, um diesen Themen Priorität zu geben.

Vom Problemkreis „Gott–Macht–Sex und bedingungslose Gleichberechtigung der Geschlechter“ wird mein neues Buch handeln. Ihr dürft darauf gespannt sein. Vom Schreiben bis zum Erscheinen durchläuft ein Buch einen längeren Entstehungsprozess, weshalb es erst Ende Sommer 2019 erhältlich sein wird. Doch die Themen werden bestimmt so lange und darüber hinaus aktuell bleiben, denn wir haben sehr viel Nachhol- und Auseinandersetzungsbedarf. Obwohl das Buch noch längst nicht da ist, hatte ich schon viele ernsthafte aber auch mühsame Diskussionen deswegen. Ich war mit Statements konfrontiert, die mich seufzen lassen. Wie Vonda Dyer, eine der Frauen, die Bill Hybels beschuldigte, welche angesichts des anfänglichen Umgangs der Kirchenleitung mit dem Skandal ausrief: „Kirche, haben wir keine Seele? Haben wir unseren theologischen Verstand verloren?"

Die Krise durch Missbrauch, Vertuschung und Glaubwürdigkeitsverlust verursache grossen Schaden, schrieb der Bischof des texanischen Dallas, Edward Burns, an den Papst. Ein entsprechendes weltweites Bischofstreffen in Rom müsse sich neben Themen wie Kinderschutz und dem Umgang mit Opfern auch Problemen wie Machtmissbrauch und Klerikalismus, Haftung und Transparenz in der Kirche stellen. An den Beratungen seien vor allem auch Laien zu beteiligen, heisst es in dem vom Bistum veröffentlichten Brief. Auch dieses Statement bewegt mein Herz: „Die Laien beteiligen.“ Zum gesamten Komplex Macht-Sex-Geschlechterrollen sollten in der evangelikal-freikirchlichen Lebenswelt ebenfalls Laien zu Wort kommen dürfen. Denn der entsprechende Machtapparat Theologie hat es in der nachapostolischen Zeit mehrheitlich verpasst, sex- und geschlechtergleichwürdige Verhältnisse zu schaffen.

Es lassen sich (theologische) Stimmen hören, was mich – Veronika Schmidt – eigentlich dazu qualifiziere, zu diesen wichtigen Themen zu schreiben. Ja, ich bin keine Theologin. Aber ich habe durch das Schreiben meines Buches etwas Wichtiges gelernt von Hudson Taylor, dem Gründer der China-Inland-Mission (OMF): "Legitimation kommt weder durch das Geschlecht noch durch die Ausbildung (allein), sondern durch Begabung und Erfahrung gepaart mit der Befähigung durch den Heiligen Geist." Es sind weder die Theologie- noch die Managementausbildung oder andere "genehme" Studienabschlüsse, die mir die Legitimation erteilen, sondern mein psychosozialer Hintergrund, die entsprechende Lebens- und Glaubenserfahrung und meine Gabe, strukturiert und strategisch denken und schreiben zu können. Und es gibt noch eine weitere Legitimation. Wären entsprechende Bücher die letzten zweitausend Jahre geschrieben und mit durchschlagendem Erfolg in der christlichen Lebenswelt implementiert worden, wäre ein Buch wie meines völlig überflüssig. Wenn man mich lässt – dann wird dieses Buch deswegen erscheinen.

Nachdenkliche herzlich Grüsse - Veronika

*Klerikalismus wird üblicherweise als Grenzüberschreitung des Klerus in weltliche, vorwiegend politische Handlungsfelder definiert. Der Klerikalismus startet historisch in der Spätantike als kirchlicher Herrschaftsanspruch über die Gesellschaft, wurde mit der Konfessionalisierung und Verkirchlichung des Christentums in der Neuzeit zu einem Führungs­anspruch über das Leben der Laien, und wird heute, nach dem Ende kirchlicher Sanktionsmacht, wo es nichts mehr zu beherrschen gibt, zu einer mehr oder weniger fatalen Identitätstechnik von Priestern.

Q&A BLOG LIEBESBEGEHREN RSS

February 22, 2018

DIESE HERREN NERVEN - SEXISMUS IN DER KIRCHE

by Veronika Schmidt in Gleichberechtigung, Gott, Sexueller Missbrauch, Sexismus, Rollenbilder, 2018


VERONIKA SCHMIDT - JOYCE 1-2018

VERONIKA SCHMIDT - JOYCE 1-2018

VERONIKA SCHMIDT - JOYCE 1-2018

VERONIKA SCHMIDT - JOYCE 1-2018

AUSGEHEND VON #MEETOO ENTWICKELTE SICH EINE WELTWEITE DEBATTE UM SEXUELLE GEWALT, DIE SO SCHNELL NICHT WIEDER VERSCHWINDEN DÜRFTE. AUCH FÜR UNSERE CHRISTLICHE LEBENSWELT IST DAS EIN THEMA, MIT DEM WIR UNS BESCHÄFTIGEN MÜSSEN, STELLT DIE SCHWEIZER SEXUALTHERAPEUTIN VERONIKA SCHMIDT FEST.

DIESE HERREN NERVEN - PDF

 

„Diese Herren nerven“, sagte die höchste christliche Politikerin der Schweiz angesichts von Sexismusvorwürfen im Bundesparlament. Der hauptsächlich im Kreuzfeuer stehende Parlamentarier gehörte zu ihrer Partei. Der Familienvater war einst im Komitee der „Sexkoffer-Initiative“, die den Sexualunterricht im Kindergarten und der Primarschule ablehnte. Einmal mehr – je lauter die Moralapostel, desto mehr Dreck am Stecken.

Lange nicht alle Herren nerven. Viele Männer sind in den vergangenen Jahren sensibel auf Diskriminierung geworden und haben längst erkannt, dass Mann und Frau ihr Potenzial nur gemeinsam sinnvoll und für die Menschheit gewinnbringend ausschöpfen können. Macht hat zwar kein Geschlecht, auch Frauen nerven, aber in unserer Gesellschaft haben mehr Männer Macht, die sie missbrauchen können. Und, Hand aufs Herz: Ist in der christlichen Lebenswelt den Männern Macht nicht per se gegeben? Ist die jahrhundertelange Ungleichstellung der Frau nicht sogar Sexismus pur? So selbstverständlich, dass es kaum einem auffallen will? Wird die Diskriminierung der Frau als gottgegeben angesehen, nicht nur von Männern? Im Buch „Alltagslust“ schreibe ich: „Nicht nur unerwünschte Berührungen und anzügliche Sprüche sind Sexismus, sondern ebenso die gezielte Benachteiligung eines Geschlechts, auch, indem Bibelstellen wahllos ohne kulturellen und zeitgeschichtlichen Zusammenhang und ohne den Kontext der Bibel selbst zitiert werden.“

Sexismus in der Kirche

Wir denken vielleicht, sexuelle Belästigung komme in der Kirche nicht vor. Doch die kirchliche Lebenswelt spiegelt die Gesellschaft wieder. Sexismus ist nicht gleich sexueller Missbrauch, aber Sexismus begünstigt sexuellen Missbrauch. Er ist eindeutig Nährboden jeglicher sexuellen Ausbeutung, gedeckt durch die Kultur des Schweigens. Religiöser Sexismus begünstigt zudem geistlichen Missbrauch. Eine Frau erzählte in einer Seelsorgewoche, sie sei missbraucht worden und erhalte ab und zu Avancen von Männern, obwohl diese wüssten, dass sie verheiratet sei. Darauf sagte einer der Seelsorger, sie sei eben eine Frau mit einer erotischen Ausstrahlung. Sprich – sie sei selbst schuld. Mit diesem Vorwurf ist beinahe jede belästigte und missbrauchte Frau konfrontiert. Auch die junge Frau, die anschließend an eine Ehevorbereitung in einem Einzelgespräch vom Pastor zu sexuellen Handlungen genötigt wurde. Er wusste von ihrem vorehelichen Sex.

Die Philosophieprofessorin Kate Manne sagt: „Sexismus ist diejenige Abteilung des Patriarchats, die für die Rechtfertigung der sozialen Ordnung verantwortlich ist: Es handelt sich um eine Ideologie, die Männer und Frauen aufgrund der ihrem Geschlecht zugesprochenen Fähigkeiten diskriminiert, obwohl die wissenschaftlich nicht belegt sind. (…) Sexismus ist eine Theorie – Frauenfeindlichkeit schwingt die Keule.“*

Eine typische 90er-Jahre Frauenkeule kenne ich aus der Beratung – und wurde mir selbst um die Ohren gehauen: Frauen, die sich autoritärem männlichen Gehabe entgegenstellten und sich wehrten, nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere, wurden (zum Teil sogar öffentlich) bezichtigt, vom Geist der Isebel besessen zu sein.

Latenter Sexismus in der christlichen Lebenswelt

Latenter Sexismus in der christlichen Lebenswelt bedeutet oft einfach, du wirst ignoriert, weil du eine Frau bist. Du wirst für eine wichtige Aufgabe nicht gefragt, auch, weil du Konkurrentin werden könntest. Dein Name wird trotz deiner Verdienste nicht erwähnt, aus Versehen. Du hörst blöde Kommentare, wirst gönnerhaft behandelt und unnötig belehrt. Oh ja, und auch gläubige Männer machen Sprüche zu Figur, Dekolleté und Beinen. Die Kleidung, nur der Frauen, ist ein Thema. In meiner Jugendgruppenzeit wurden wir Mädchen in wirklich hässliche Diskussion darüber verwickelt. Das war Ende der 70er-Jahre, und die uns kritisierenden Herren trugen hautenge weiße Jeans, unter denen sich ihr Penis deutlich abzeichnete.

Einst als Jungscharleiterin konfrontierte mich ein Ausbildner ungefragt mit einem sexuellen Geständnis. Er wollte wissen, was ich dazu meine, dass er sein kleines Patenkind-Mädchen jeweils mit Zunge küsse, ob das wohl okay sei. Damals realisierte ich erstmals die christliche Doppelmoral, mit der ich schlicht nicht umzugehen wusste. Was ich heute darüber denke? Dieser Mann wusste ganz genau, dass er Unrecht tat. Männer welche (verbal) belästigen, angrapschen, vergewaltigen und ihre Frauen zu Dingen zwingen, die diese nicht wollen, wissen um das Unrecht. Aber sie denken, sie hätten ein Recht darauf.

Sexismus überwinden

Wir leben in einer Welt, in der mächtige (geistliche) Männer ihre Position ausnützen. Das wollen heute viele Frauen zu Recht nicht mehr hinnehmen und brechen ihr Schweigen. Ausgehend von #metoo entwickelte sich eine weltweite Debatte um sexuelle Gewalt, die so schnell nicht wieder verschwinden dürfte. Sie wird auch die christliche Lebenswelt erfassen. Noch zu oft werden Frauen, welche sexuellen Missbrauch in der christlichen Lebenswelt anprangern, als psychische Wracks diffamiert. Zu oft werden Familien vom Gemeindevorstand zum Schweigen genötigt und von Anzeigen abgehalten, wenn diese den Missbrauch ihrer Kinder öffentlich machen wollen. Noch wird der Ruf der Gemeinde oder der Mission über das Einzelschicksal gestellt. Noch werden skrupellos staatliche Gesetze unter dem Vorwand und Vorzug der Beichte umgangen. Je geschlossener und abgeschotteter eine Gemeinschaft ist, desto grösser ist die Gefahr von Sexismus, Missbrauch und Schweigen. Diese Gefahr richtet sich ganz klar gegen Frauen und Kinder.

Die religiöse Diskriminierung der Frau kann geschichtlich hergeleitet werden. Ein paar „Anekdoten“ der Kirchenväter gefällig?  Tertullian (160-225): „Die Frau ist eine betörende Verführerin und hat die Schuld am Leiden der Menschheit.“ Epiphanius (315-403): „Die Frau ist leicht zu verführen und hat keinen großen Verstand und ist schwach.“ Augustinus (354-430): „Das Weib ist ein minderwertiges Wesen, das von Gott nicht nach seinem Ebenbilde geschaffen wurde. Es entspricht der natürlichen Ordnung, dass die Frauen den Männern dienen.“ Thomas von Aquin (1225-1275) („Die Frau ist eine minderwertige Fehlkonstruktion“) führte das Entstehen der Frau auf eine Schwäche des Samens zurück.

Noch immer wird in freikirchlichen Kreisen theologisch ausgebildeten Frauen die Ordination verweigert, wird darüber gestritten, ob Frauen leiten, „lehren“ oder nur „unterrichten“ dürfen. Mit der Bibel Argumentierende beschwören zwar die Schöpfung durch Gott, nehmen sich aber nicht die Mühe, von der Schöpfung selbst zu lernen. Denn sonst wüssten sie, dass unsere Genitalien bis zur 7. Schwangerschaftswoche alle gleich sind, nämlich weiblich(!). In der 8. Woche beginnt im Körper von Embryos mit männlicher Anlage die Produktion von männlichen Hormonen. Die winzigen Schamlippen schliessen sich und formen sich zur sogenannten Penisnaht, die von der Vorhaut über das Vorhautbändchen und den Hodensack bis zum Damm verläuft. Selbst wenn ab der 12. Schwangerschaftswoche die unterschiedlichen Genitalien ersichtlich werden, setzen sie sich doch aus denselben Bestandteilen zusammen, nichts davon geht verloren. Die Klitoris der Frau ist ein Penis. Aus der Schöpfung selbst ist kein Vorrang des Männlichen abzuleiten, im Gegenteil. Die Bibel selbst bestätigt, indem sie Paulus sagen lässt: Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus. (Galater 3,28)

Nicht nur in der Gesellschaft, auch innerhalb der Kirche beenden wir sexuelle Gewalt nur, wenn auf Gleichheit bedachte Rollen- und Familienmodelle zur Normalität werden. Denn patriarchale Strukturen bildeten den Nährboden für Sexismus und Gewalt. Deshalb ist es wichtig, dass auch Frauen innerhalb christlicher Gemeinschaften über negative Erfahrungen nicht mehr schweigen. Und es ist ebenso wichtig, dass Frauen lernen, Einfluss zu wollen, klare Ansagen zu machen und Grenzen zu setzen. Dass sie nicht erwarten, sondern handeln. Dass sie sich selbst und laut sagen: „Ich werde reden – ich werde gehört werden!!!“

Veronika Schmidt arbeitet als Paar-, Familien- und Sexualberaterin und lebt mit ihrer Familie in CH-Schaffhausen. Sie ist Autorin der beiden Bücher „Liebeslust – Unverschämt und echt genießen“ und „Alltagslust – Ganz entspannt zum guten Sex“ (jeweils SCM).

* http://www.zeit.de/kultur/2017-11/sexismus-frauenfeinlichkeit-misogynie-kate-manne

Q&A BLOG LIEBESBEGEHREN RSS

October 21, 2016

Warum sind manche geistlichen Leiter so körperfeindlich?

by Veronika Schmidt in Aufklärung, Aufreger, Bibel, falsche Scham, Gott, Grenzen setzen, Konflikte, Selbstgefühl & Selbstwert, Sexueller Missbrauch, Sünde, 2016


körperfeindlich.ipg
körperfeindlich.ipg

Hoi Veronika
Eine Frage beschäftigt mich schon länger. Warum denkst Du, sind manche Christen, vor allem Leiter, so körperfeindlich?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese die „sündigen Laster des Körpers“ als ganz besonders schlimm taxieren. Für mich hatte es zur Folge, dass ich meinte, mich selbst kreuzigen zu müssen und mich unglaublich anstrengte, jede sexuelle Regung aus mir rauszureissen. Die Folge war, dass ich meinen Körper zu hassen begann. Ich erlebte Rechenschaftstreffen, in denen  Körperteile freigebetet wurden, oft mit entwürdigenden Methoden.

Was mich zudem nachdenklich macht ist, dass viele christliche Leitende/Seelsorgende schlecht mit Menschen mit Missbrauchsgeschichten, Pornographie oder Scheidung umgehen können. Sie reagieren oft hart und lieblos, und so kommt aufs körperliche Trauma des Ratsuchenden auch noch ein geistliches dazu.

Ich würde mir so wünschen, dass wir Christen mehr Mut zu Seele, Geist und Körper hätten. Liebe Grüsse - Ursina, 36 Jahre


Liebe Ursina

Das ist eine gute Frage – weshalb wir auf Sex-Sünden stärker reagieren als auf andere.  Ich denke, es hat damit zu tun, dass jeder Mensch bei einer sexuellen Fragestellung unmittelbar mit sich selbst konfrontiert ist. Konfrontiert mit seinen eigenen Regungen, Sehnsüchten und seinen Kämpfen damit. Jeder der „fällt“, spiegelt mir, dass mir das auch passieren könnte. Weil ich eben Sexualität nicht aus mir „rausreissen“ kann, wie Du es ausdrückst.

Und natürlich ahnst Du ja schon, dass das Problem die unterschiedliche Wertschätzung von Geist, Seele und Körper ist. Viele Christen  haben immer noch das Bild: Geist gut - Seele problematisch - Körper geht gar nicht. Die Seele ist zu labil, nicht konform in den Reaktionen, der Körper geht nicht, weil Sitz der Geschlechtlichkeit und nicht zu kontrollieren. Aus Sicht des Geistes gesehen, sind seelische und körperliche Bedrüfnisse viel zu banal. Dieses unterschiedlich wertende Denken sehe ich nicht in der Bibel. Und schon gar nicht in der Schöpfung des Körpers, welche eine Körper-Hirn-Einheit ist, die im besten Fall perfekt wechselseitig aufeinander einwirkt. Werten wir Körper und Seele ab, müssen wir uns nicht wundern, wenn wir beginnen diese zu hassen, mit gravierenden Folgen für unser Selbstgefühl.

Das Bedürfnis nach Sexualität ist ein Grundbedürfnis. Wir haben primäre Bedürfnisse wie die nach Luft, Wasser, Nahrung, Schlafen, nach körperlichem Schutz, nach Abwesenheit von Furcht und eben nach geschlechtlicher Befriedigung. Und darüber hinaus auch psychosoziale Bedürfnisse wie die nach Liebe, Geborgenheit, neuen Erfahrungen, Lob, Anerkennung und nach Verantwortung. Alle diese Bedürfnisse betreffen uns ganzheitlich, also Geist, Seele und Körper.

Der Wunsch, die menschlichen Grundbedürfnisse asketisch zu kontrollieren, finden wir in allen Kulturen. Asketen und Körperfeinde, und das sind durchaus Frauen wie Männer, versuchen mit Hilfe des Geistes diese Grundbedürfnisse möglichst klein zu halten oder gar auszurotten. Damit einher geht oft der zwanghafte Impuls, diese Regungen auch beim anderen unterdrücken zu wollen. Leiter sind vermutlich nur mehr in dieser Gefahr, weil sie sich für die Gemeinschaft verantwortlich fühlen.

Der sexuelle Sündenfall des anderen gibt uns die perfekte Gelegenheit, alle eigenen sexuellen Nöte und Frustrationen auf ihn zu projizieren. Ich fühle mich schlecht mit meiner eigenen Sexualität, nicht rein, nicht geistlich genug, vielleicht habe ich sexuell gesündigt, ich kämpfe stark mit meinen sexuellen Bedürfnissen oder habe diesen Kampf unter viel Mühen endlich geschafft. Und nun steht da eine Person, die ist gescheitert und zwar offensichtlich für alle. Ich kann problemlos meinen eigenen Frust auf ihr abladen. 

Diese Regung der Projektion entlarvt Jesus eindrücklich in der Begegnung mit den Schriftgelehrten, Pharisäern und der Ehebrecherin in Johannes 8,2-11. Hier wird eine Konfrontation mit Jesus beschrieben zu der Frage, ob eine Frau die soeben beim Ehebruch erwischt wurde, gesteinigt werden muss. Die Wendung „den ersten Stein werfen“ aus Vers 7 dieser Begebenheit ist als geflügeltes Wort zur Beschreibung selbstgerechten Verhaltens in viele Sprachen eingegangen. Jörg Zink drückt es in seinem Buch WAS BLEIBT, STIFTEN DIE LIEBENDEN unverblümt so aus: "Die Ehebrecherin ist sozusagen das Lasttier, auf das der Neid, die Geilheit, die Lüsternheit der anderen gepackt werden. Sie hat alles zu tragen, was in den Gerechten rumort, nach oben drängt und sogar dann und wann ausbricht." Jesus sagt den selbstgerechten, verurteilenden und ihre eigenen sexuellen Stolpersteine auf die Frau projizierenden Pharisäern und Schriftgelehrten: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.“ Die Umstehenden liessen einen nach dem anderen ihre Steine (Projektionen) fallen und gingen weg. 

Aus meiner langjährigen Erfahrung kann ich ohne Übertreibung festhalten: Die grössten Moralapostel haben oder hatten am meisten Dreck am Stecken. Ihr Kampf gegen die sexuellen Regungen ist ihr eigener Kampf um sexuelle Reinheit. Das viele Ratgebende nicht sinnvoll mit Ratsuchenden umgehen können, ist für mich neben derer eigener Befangenheit mangelnde Kompetenz und Unwissen. Gerade wenn es um die Sexualität geht, ist die Christenheit schlicht und einfach sprachlos, sprich sprachunfähig. Dieser Mangel liesse sich aber beheben, wenn man denn wollte.

Dass Unwissen oder einseitiger Glaube im schlimmsten Fall auch zu absurden exorzistischen Ritualen führen kann, wie du antönst, ist für mich eindeutig sektiererischer und grober geistlicher Missbrauch. Deshalb halte ich es für wichtig, dass wir uns nicht von geistlichen Autoritäten abhängig machen. Wir sollten vor allem von Gott abhängig sein und selbst um unseren Glauben, unser Wissen und unsere Aufklärung bemüht sein. Paulus sagt im 1. Thess. 5, 21:  „Prüft aber alles, das Gute haltet fest!“ Halte ich mich in einer geistlichen Gemeinschaft auf, wo das was da abläuft, für mich nicht gut anfühlt, sollte ich unbedingt den Mut haben, mich zu lösen und zu gehen.

Diese Freiheit, liebe Ursina, wünsche ich uns allen zu jeder Zeit. Herzlich - Veronika


weiterer Blog zum Thema: DER MYTHOS SEXUALTRIEB UND SEINE DÄMONISIERUNG

Q&A BLOG LIEBESBEGEHREN RSS

September 30, 2016

Ohne Alkohol kann ich mich im Bett nicht fallen lassen

by Veronika Schmidt in Ehe, Ehesex, falsche Scham, Lust, Scheidung + Wiederheirat, Selbstgefühl & Selbstwert, Sexueller Missbrauch, Alkohol, 2016


alkohol.ipg
alkohol.ipg

Liebe Veronika

Ich bin in ziemlicher Not. Ich brauche oft Alkohol, damit ich mich sexuell fallenlassen kann. Ohne Alkohol kann ich mich nicht lustvoll erleben. Am Morgen danach schäme ich mich, und das Erlebte ist wie abgespalten. Auch ist es mir dann peinlich, dass ich mich habe gehen lassen und Fantasien hatte...

Ich bin seit 11 Jahren in zweiter Ehe verheiratet. In meiner ersten Ehe und davor gab es einschneidende, übergriffige und grenzverletzende Erlebnisse. Ich machte mit, um nicht abgelehnt zu werden oder keinen Unwillen zu erregen. Sehr fromm und körperfeindlich erzogen, sah ich meine Eltern nie nackt. Sex war tabu und peinlich.

Dein Buch und der Blog sind eine grosse Gebetserhörung für mich. Mein Mann und ich lesen uns DeinBuch gegenseitig vor und finden die Gedanken darin sehr befreiend und ganzheitlich. Aber mit der Umsetzung hapert es. Ich denke, ich bräuchte eine Begleitung über einen längeren Zeitraum. Aber ich wohne viel zu weit weg...

Obwohl mein Mann sehr rücksichtsvoll ist, fühle ich mich oft benutzt und auf meine Sexualorgane reduziert, Das macht mich so traurig und unglücklich. Ich gehöre zu den Menschen, die sich fragen, warum hat Gott das nicht anders gemacht und warum ist alles nicht einfacher??? Ich bin seit 18 Jahren mit Jesus unterwegs. Ich habe schon einiges (gemeinsam mit meinem Mann) versucht, um zu verarbeiten (Gespräche, Tagebuch, christliche Seminare über Sexualität, viele Gebete, mehrere Bücher zum Thema, Sexualtherapie bei einem nichtchristlichen Therapeuten). Manchmal scheint etwas besser zu werden, aber durchschlagende Erfolge sehe ich nicht. 

Wie ist Deine Meinung - ist es in Ordnung, dass ich Wein trinke, um meinen Hemmungen zu überwinden? Bei einem christlichen Vortrag zum Thema erwähnte die Frau, dass sie das akzeptabel findet, um unser ständig denkendes Hirn auszuschalten und freier zu werden. Als Übergangsphase würde ich es okay finden, doch auf Dauer kommt es mir seltsam vor.

Als wir begannen, Dein Buch zu lesen, hatten wir 3 Tage hintereinander wunderschönen lustvollen Sex, bei dem ich mich richtig einlassen und genießen konnte, zwei Mal sogar ohne Alkohol. Irgendwie schaffte es Dein Buch, Hemmungen bei mir auszuschalten- oder mir die Erlaubnis zur Lust zu geben? Aber leider wurde es dann wieder so wie vorher... Was soll ich nur machen? Ich weiß mir keinen Rat mehr und bin sehr gespannt auf Deine Antwort.

Rosie, 49 Jahre


Liebe Rosie

Wenn ich Du wäre, würde ich versuchen, vom Alkohol wegzukommen. Nicht, weil ich das schlimm finde, sondern weil es sonst ziemlich sicher so bleiben wird, wegen der Gewohnheit. Und weil ich aus Deinen Zeilen entnehme, dass es Dich beschämt, dass es den Sex von Deiner Person abspaltet und Du Dir etwas anderes wünschen würdest.

Deine negativen Vorerlebnisse sind im Hirn und im Körpergedächtnis abgespeichert. Bei sexueller Nähe schaltet alles auf Gefahr und löst eine Fluchtreaktion aus. Sobald Du eine Situation als bedrohlich oder beängstigend wahrnimmst, möchtest Du am liebsten aus dieser Situation wegspringen oder Du „frierst ein“. Dein Körper verkrampft sich, Dein Atem stockt und Dein Herz rast. In diesem Zustand ist es überhaupt nicht möglich, sexuelle Aktivität als Genuss zu erleben.

Unser Gehirn vergleicht alles, was wir erleben, mit ähnlichen, vergangenen Situationen und Erfahrungen. Diese Erinnerungen machen es uns entweder leicht oder schwer, uns auf die sexuelle Begegnung einzulassen. Bis anhin hat der Alkohol die Aufgabe übernommen, die Vergangenheit ruhig zu halten. Doch statt das Bewachungssystem mit irgendwelchen Substanzen zu überlisten, ist es uns auch möglich, das Belohnungssystem des Hirns zu aktivieren. Dafür müssen viele positive sexuelle Erfahrungen abgespeichert werden. Die aktive Erinnerung an diese zu erwartende Belohnung motiviert uns, weiter zu machen und lässt die Fluchtreaktion mehr und mehr ausbleiben.

Von den bereits erlebten positiven Erfahrungen braucht es noch mehr. Deshalb – lass den Mut nicht sinken. Es dauert seine Zeit und viele Wiederholungen, bis es zu einem einfacheren Weg wird. Lass sinnliche Situationen so entstehen und ablaufen, wie es Dir guttut. Sag Deinem Mann, was Dir gut tut. Lass Dich auch einfach nur nackt halten und spüre Deinen Reaktionen nach und dem, was sich vielleicht durch die Dauer des Haltens verändert. Mach dabei nur das, was Dein Körper tun möchte. Ihr solltet also Eure Sexualität so gestalten, wie Du es brauchst. Und erinnere Dich aktiv an die schon erlebten schönen Momente.

Wenn Du Deinen Kopf, Deine Moral, die sexfeindliche Erziehung und die schlechten Erfahrungen überwinden willst und im Gegenzug sexuelle Fähigkeiten, Fantasie, sexuelles Begehren, sexuelle Lust, sexuelle Intensität und Stolz auf Dein Geschlecht und Dein Frausein entwickeln willst, erreichst Du das sowohl über Deinen Kopf als auch über Deinen Körper. Dein Körper und was Du mit ihm machst in der Sexualität, wird Dein Empfinden und Deine Wahrnehmung so beeinflussen, dass schlechte Prägungen langsam aber sicher ausser Kraft gesetzt werden. In den Frauenkursen erlebe ich manchmal, dass das sogar ganz schnell gehen kann. Allein über Körpererfahrungen und das Wissen über diese Zusammenhänge.

Lass mal für eine Weile die direkten Berührungen Deines Geschlechts und übe die Beckenschaukel in einer entspannten, angenehmen Umgebung. Lass Deinen Körper fliessen und atme ruhig dazu, wie im Buch beschrieben. Dein Mann könnte dir zuerst diese Stellen langsam vorlesen, damit Du mitbewegen kannst, bis die Bewegungen für Dich automatisiert sind. Dabei geht es vorerst überhaupt nicht um Erregung, sondern um die Wahrnehmung Deines Körpers, Deiner Empfindungen und Deinem Geschlecht.

Wenn du soweit bist, geniesse auch mal eine schöne Zeit nackt oder leicht bekleidet. Ab diesem Zeitpunkt lege Deine Hand auf Dein Geschlecht und spüre die Wärme, die dort entsteht. Viele weitere Schritte sind im Buch aufgezeigt, die Dich in Kontakt mit Deinem Geschlecht bringen. Das Ziel ist es immer, bewusst Deine Körperreaktionen und auch den Atem wahrzunehmen. Lass dabei Deinen sexuellen Fantasien freien Lauf. Lach den Stimmen der Vergangenheit fröhlich ins Gesicht, die Dir einreden wollen, das sei schmutzig. Versuche, mit Deinem Mann Fantasien auszutauschen. Dafür hilft das Buch von Ulrich Clement THINK LOVE. Nach und nach wird sich Deine Einstellung zu Deinem Körper, zu Eurer Sexualität und zu Deinen Fantasien positiv verändern, und die negativen Kognitionen und schlechten Erfahrungen werden immer schwächer werden.

Ich möchte Dir das Buch WEIBLICH, SINNLICH, LUSTVOLL von Elia Bragagna empfehlen. In diesem Buch findest Du viel ausführliches Wissen über die Zusammenhänge im Körper und im Hirn, zudem werden viele sexuelle Problemstellungen darin behandelt. Auch im Buch KOMM WIE DU WILLST von Emily Nagoski findest Du viele sehr gute Informationen. Mehr Wissen über Sexualität hilft uns, wünschenswerte Empfindungen zu vermehren und die zwiespältigen zu überwinden und hinter uns zu lassen. Und vielleicht findest Du ja auch nochmals den Mut für eine Therapie - eine (christliche) Trauma- oder Körpertherapie. Oder Du gönnst Dir regelmässige Massagen oder besuchst Körpertrainingsstunden, die Dir entsprechen oder ein Beckenbodentraining.

Oft bleiben wir in unseren Schwierigkeiten nur deshalb passiv, weil wir keine anderen Lösungsmodelle kennen. Wenn unsere Ängste und Schamgefühle verschwinden durch befreiende Erfahrungen, erwacht unsere eigentlich angeborene Neugier wieder. Diese Neugierde beflügelt unsere sexuellen Fantasien und hält uns sexuell lebendig. Unsere ganz eigenen, ganz persönlichen Erfahrungen formen das für uns passende Sexualverhalten. Oft geht es darum, zuerst mal ein sexuelles Bedürfnis überhaupt zu entwickeln, danach darum, dieses ausleben zu können.

Das wünsche ich Dir von Herzen! Liebe Grüsse Veronika
 

Q&A BLOG LIEBESBEGEHREN RSS

  • Newer
  • Older

© by Veronika Schmidt. Publikation, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung.